Donnerstag, 31. Oktober 2013

Hohe Berge

Mit Sicherheit ist es ja überhaupt niemandem aufgefallen, daß ich in meinem letzten Blogbeitrag einen Prinzipienbruch begangen habe. Obwohl ich bisher noch kein Sterbenswörtchen über den Grundriss des Obergeschosses verloren habe, fand sich im letzten Beitrag schon eine Abhandlung über den dort verlegten Bodenbelag. Somit war im Blog der Bodenbelag vor dem Zimmer da, ein glatter Stil-Bruch, den ich heute schnell abmildern möchte. Immerhin hat der letzte Beitrag eine interessante Diskussion zweier Leser hervorgerufen, die den Kommentarteil des Blogs glatt in eine Art Forum verwandelt haben.

Nun ist es ja schon eine ganze Weile her, als wir uns Gedanken über den Grundriss des Obergeschosses gemacht haben. Die Erinnerungen an die vielen Stunden vor dem Zeichenpapier und den Bergen zerknüllter Entwürfe verblassen schon langsam. Was ging uns damals durch den Kopf, was genau wollten wir hier eigentlich umsetzen, welche Probleme gab es? Vieles davon ist schon im nur noch erschwert zugänglichen Teil des Erinnerungsvermögens archiviert. So richtig sicher bin ich mir eigentlich nur in einem, nämlich dem Umstand, daß von allen Stockwerken hier von der ersten Idee am Ende am wenigsten übrig.

Auch in den anderen Etagen hat es ja immer wieder Änderungen gegeben. So zum Beispiel im Keller, wo ich mein Büro eigentlich im Nordwesten haben wollte. Ich hatte dort auf einen tollen Blick ins Tal gehofft, doch den Zahn hat mir der Herr Architekt schnell gezogen. Die Topologie des Baulandes hätte in dieser Richtung wohl nur einen guten Blick auf einen Lichtschacht zugelassen, es sei denn, ich hätte vor, mein Grundstück zu vergewaltigen. Markige Worte, die im Resultat zu einem einem Heimkino führten, einem Raum, in dem zu viele Fenster eh nur stören würden. Für das Homeoffice wurde ja trotzdem einen schöner Platz gefunden, auch wenn es mit der geplanten Fernsicht leider nichts wurde.

Inzwischen bin ich darüber hinweg, denn heute glaube ich, daß jegliche tolle Aussicht ein Opfer meines neuen Breitbild-Computer-Monitors geworden wäre. An dem Ding geht kein Blick vorbei. Doch ich will mich ja nicht beschweren, einen Keller mit Aussicht haben eh die wenigsten Häuser. Und in dem Raum soll ja auch gearbeitet werden, da ist also gar keine Zeit, den Blick in die Ferne schweifen zu lassen.

Nun wollte ich heute über den Keller aber eigentlich gar nichts schreiben. Wie bin ich nun aber doch hier unten gelandet? Ach ja, es ging um die Grundriss-Ideen, die es nicht in das fertige Haus geschafft haben. Und von dieser Art Ideen gab es im Obergeschoß so einige.

Was waren nun aber die Gründe? Wieder Feng Shui?

Nein, es waren hier zum größten Teil leider die Naivität der Entwürfe, fehlende Machbarkeit und unpraktische Details, die am Ende dazu führten, daß es in diesem Stockwerk nur ein einziger Raum an die Stelle des Hauses geschafft hat, wo wir ihn eigentlich haben wollten. Und dieser Raum ist unser Schlafzimmer.

Irgendwann hatte ich mal in einem Gespräch mit einer Architektin aufgeschnappt, daß sie immer versuchen würde, ein Schlafzimmer im Norden zu platzieren. Ihr Gedanke dabei ist, dass diese Himmelsrichtung am wenigsten von der Sonne bestrahlt wird und solche Räume die besten Voraussetzungen mitbringen, sich tagsüber nicht zu stark aufzuheizen um in der Nacht einen kühlen Schlaf zu ermöglichen. Das klang logisch, und von Logik lasse ich mich immer gerne überzeugen, auch wenn ich die Idee eines kühlen Schlafzimmers vielleicht mit meiner lieben Frau hätte besprechen sollen. Denn ihr kann es eigentlich nicht warm genug sein.

Nun gibt es im Haus aber eventuell doch noch eine weitere Person, die so wie ich auch ein kühles Schlafzimmer bevorzugen würde. Also wurde in die andere Nord-Ecke brav ein Kinderzimmer gezeichnet, und lagen damit prompt falsch. Denn mit dieser Entscheidung hätte das Badezimmer an die Südseite des Hauses wandern müssen, so viele Ecken hat die Nordseite des Hauses ja nun auch wieder nicht. Nun gibt es an der Südseite des Hauses im Erdgeschoß allerdings keinerlei Wasserleitungen, die ein darüber liegendes Badezimmer mit Frischwasser versorgen könnten. Im schlimmsten Fall hätten die Anschlussleitungen von der Küche kommend in der Zwischendecke quer durch das Haus verlegt werden müssen, eine rauschende Angelegenheit wohl auch trotz bestens gedämmter Rohre. Und wer von euch weiß, wie lange meine Frau sich in der Dusche aufhalten kann, der bekommt eine Ahnung, daß man, sobald sie in das Bad entschwindet, für den Rest des Abends keinen entspannenden Genuss einer kristallklaren klassischen CD wiedergegeben von bestens eingespielten Stereo Referenzboxen mehr einplanen sollte. Nicht daß ich so etwas wirklich oft mache, ich habe ja gar keine Stereo-Referenzboxen oder auch gar keine klassische CD („Mozart für Babies“ zählt hier nicht, oder?) – aber das Bild passte doch gut zu dem Image eines Huf Hauses, oder nicht?

Doch lange Rede, wenig Sinn, die Logik der kurzen Leitungen schlägt vor, dass man Nassräume übereinander planen sollte. Wem das Argument mit den rauschenden Wasserleitungen hier noch nicht ausreicht, der darf sich jetzt gerne über die Geräusche der Abwärtsbewegungen von Resultaten anderer Badezimmerereignisse Gedanken machen, ich mach das hier jetzt nicht. Kurzum, das Badezimmer schnappte sich den Nordwesten und für das Kinderzimmer blieb nur eine Ecke der südlichen Hausseite übrig.

Doch hier war es mit unserer Kreativität noch nicht vorbei, denn warum muss ein Zimmer eigentlich immer in einer Ecke landen? Wie wäre es denn zur Abwechslung mal mit einem zweigeschossigen Zimmer? Spiel- und Hausaufgabenzimmer unten, eine Treppe führt dann in ein weiteres Zimmer, welches in der Mitte vom Dachgiebel liegt. Dieser Raum hätte nun zwar an beiden Seiten schräge Wände und ist dadurch nur sehr eingeschränkt nutzbar, doch aufgrund unseres steilen 45Grad Daches wären in der Mitte ohne Probleme drei Meter Raumhöhe herausgekommen. Die nutzbare Breite hätte gut 3 Meter betragen, ein Bett würde hier auf jeden Fall hineinpassen. Eine Super Grundriss-Idee, wie ich finde. Leider ist sie, das gebe ich ja zu, falls die schon angesprochene Architektin hier mitliest, uns doch nicht wirklich alleine eingefallen ist.

Doch vom wem diese Idee stammt, ist ja auch egal. Am Konjunktiv hörte man ja schon, daß wir am Ende eh nicht so gebaut haben. Zum einen störte die Treppe das untere Zimmer doch zu sehr, zum anderen konnten wir uns nicht wirklich vorstellen, dass sich direkt unter dem Dach noch dazu in der Südspitze eines verglasten Huf Hauses im Sommer eine komfortable Schlaftemperatur erreichen lässt. Zum Glück hatte auch der Huf Architekt noch den Einwand, daß eine Zwischendecke im Obergeschoß nicht zum Charakter eines Huf Hauses passt. Hier ist eben die Idee, daß der Blick von innen auf den offenen Glasgiebel ungestört über die gesamte Höhe in die Ferne wandern darf und sich dadurch das maximale Gefühl der Helligkeit und Luftigkeit einstellen kann. Und bestimmt wäre es auch recht teuer geworden, dieses Maisonette-Kinderzimmer. Also wurde auch diese Idee wieder begraben.

An der Südseite sind somit zwei gleich große Räume gelandet, doch als Kinderzimmer gebraucht wurde nur einer. Der andere Raum war irgendwie übrig, so richtig konnten wir uns auf keinen echten Nutzen einigen. Noch ein Gästezimmer wollten wir nicht wirklich, Gäste können sich gerne im Erdgeschoß breitmachen, die obere Etage bleibt für uns. Und einfach noch ein Kinderzimmer für den Fall der Fälle? Niemals, der Druck, sich ein zweites Kind anzuschaffen, ist auch so schon groß genug.

Die Nutzungsidee, die uns auf Anhieb am besten gefiel, haben wir im Art 3 Musterhaus in Hartenfels gesehen. Ein Raum, der keiner sein will. Der Raum bleibt einfach offen, wird somit zu einer Art Freiflächenerweiterung der oberen Galerie. In diese Freiarena könnte man mittels diverser Sitzsäcke oder anderer bequemer Polstermöbel zum Beispiel eine Lese- und Fläz-Ecke einrichten. Hängematte, eine Palme, kurz, das Paradies im Obergeschoß. Man konnte es auch als Erweiterung des unteren Wohn- und Essbereichs sehen, denn als einzige Trennung gab ja nur die Brüstung zur offenen Galerie mit dem Blick auf den Esstisch und die Küche. Der Raum gehört somit irgendwie dort dazu, und trotzdem ist man weit genug weg von jeglichen Wohnzimmer- und Küchenaktivitäten, denn schließlich trennt uns ja immer noch eine komplette Etage. Da wird man eventuell sogar in Ruhe gelassen, falls es in der Küche einmal zu einem akuten Arbeitsbefall kommen sollte.


Das ist er also nun, unser Obergeschoß-Grundriss. Ein Kinderzimmer im Südosten, eine Lese- und Rückzugsecke im Südwesten. Auf der gegenüberliegenden Hausseite befinden sich unser Schlafzimmer im Nordosten und das Familienbad auf der anderen Seite. Ich müsste mir mal den Spaß machen und unsere alten Zeichnungen mit den verschiedenen Versionen dieser Etage zusammensuchen. Viel ist nicht übrig geblieben, doch das ist bei den meisten Ideen auch ganz gut so. Nicht auszudenken, wenn wir uns bei der Idee mit dem Loch in der Galerie-Decke durchgesetzt hätten. Das Loch hätte den Blick auf das Zentrum des Hauses im Erdgeschoß freigeben sollen, an diese Stelle hätten wir dann eine parkähnliche Grünpflanzenanlage platziert. Das Zentrum des Hauses wäre somit aktiviert, hört sich nach Feng Shui an, und das ist es auch. In viel größeren Häusern mag so etwas klappen, in einem auch nicht wirklich kleinen Haus wie unserem wäre es aber die extremste Form der Platzverschwendung.

Letztendlich hätten wir uns die vielen Stunden vor dem Zeichenkarton auch gut sparen können. Denn es ist am Ende wirklich zu 100% der Grundriss des Musterhauses von Hartenfels geworden. Vielleicht ist dieser Grundriss einfach schon perfekt für ein Art 3 und nicht mehr verbesserungsfähig. Vielleicht ist er aber auch nur der beste Kompromiss zwischen Extravaganz und praktischer Vernunft? Wir haben drei fast gleich große Räume und damit das Optimum an Flexibilität. Dazu kommt ein großes lichtdurchflutetes Badezimmer. Im oberen Korridor haben wir sehr vernünftig nur wenig Platz verschenkt, und trotzdem aufgrund der offenen Galerie und des riesigen Dachfensters (mit einem genialen Blick in das Zittauer Gebirge) ein phantastisches Raumgefühl. Und dann ist ja auch noch der offene Bereich mit dem südwestlichen Lesezimmer. Dieser wurde am Ende doch nicht so offen, wie erhofft. Mit den besten Grüßen an die Waltersdorfer Gestaltungssatzung, die uns ein 45 Grad Dach vorgeschrieben hat, musste aus statischen Gründen an diese Stelle eben doch eine Wand geplant werden. Offen geblieben ist am Ende nur der schmale Streifen, wo eigentlich die Tür hingehört. Und wenn ich mir in diesen Tagen die Entwicklung der Bauchgegend meiner Frau so angucke, dann hätten wir diese Tür mal besser gleich mitbestellt. Es wäre sicherlich vernünftiger gewesen.

Doch wo ist nun die Extravaganz geblieben? In Ansätzen gibt es die immer noch, wie ich finde. In Huf Häusern mag es ja Standard sein, doch einen begehbaren Kleiderschrank hat in meiner Familie noch niemand gehabt. Dieser verkleinert zwar das Schlafzimmer etwas, füllt aber auch die Lücke zum Treppenhaus auf und ist somit doch ein kleines Raumwunder. Und da das Schlafzimmer damit schrankfrei bleibt, haben wir uns über zu wenig Platz dort auch noch nicht beklagen müssen. Extravagant oder sogar schon etwas dekadent ist auch das Vorhandensein eines zweiten Balkons, noch dazu, weil der sich vom Bad erreichen lässt. Ein Badezimmer mit Balkon, das haben nicht viele Häuser. Ich habe meinen neuen Lieblingsplatz zum Zähne putzen damit jedenfalls gefunden, es fehlt dort eigentlich nur ein Waschbecken.

Die größte Extravaganz unseres Dachgeschosses kann man im Grundriss allerdings überhaupt nicht sehen, dieser ist ja nur zweidimensional. Ich rede über die unglaubliche Höhe der Räume. Bedingt durch den Dachwinkel erreichen diese eine Dimension, wie man sie sonst nur in einer Kathedrale erwarten würde. Über sechs Meter steigen die Wände zum First, das Raumgefühl in den Zimmern darunter ist unbeschreiblich. Zusätzlich ist an der Nordseite der Teil oberhalb des Längsbalkens mit Glas ausgefacht, im Bett liegend können wir also durch die Glaswand hindurch in die Dachschräge des Badezimmers gucken, was den Effekt eines riesigen Zimmers noch weiter verstärkt. Und diese Glasfläche oberhalb der Wand hat gut und gerne die Ausmaße einer Turnier-Tischtennisplatte.





Daß wir trotz Dachschräge durch das recht steile Dach kaum Einschränkungen in der Nutzbarkeit der Zimmer haben, ist ein weiterer Bonus. Die 2 Meter Linie befindet sich gerade einmal 80 Zentimeter von der Wand entfernt, und weil ich erheblich weniger als 2 Meter vorweisen kann, stoße ich erst dann mit dem Kopf an die Decke, wenn ich schon gefühlt kurz vor der Wand stehe. OK, so werden Nörgler sagen, wir werden diese Raumhöhe auch einmal mit heizen müssen. Doch im Moment genießen wir es einfach. Diese unfassbare Menge an Licht, die durch die zusätzliche Fensterfläche in das Haus kommt, der Panoramablick, der auch nach oben hin keine Grenzen zu haben scheint, nichts davon möchte ich missen. Nur zu gerne möchte ich jetzt einmal erfahren, wie ich mich denn jetzt in einem normalen 30 Grad Dach Huf Haus fühlen würde. Wahrscheinlich fällt mir da die Decke auf den Kopf.