Samstag, 13. Oktober 2012
Irrwege
War das jetzt schon die laengste Zeit ohne einen neuen Beitrag fuer diesen Blog? Das letzte Mal, als ich hier ein Update reingestellt habe, ist schon fast zwei Wochen her. Rekordverdaechtig.
Ist das jetzt wieder so eine Schreibhemmung, mit der ich mich schon vor Wochen einmal versucht habe herauszureden? Oder war ich etwa wieder zu beschaeftigt und bin vor lauter anderer Verbindlichkeiten nicht zum schreiben gekommen? Verbindlichkeiten, die sich im Nachhinein als Fussball EM herausstellten.
Stimmt alles nicht. Die Antwort ist dieses Mal ganz einfach. Ich will es auch gar nicht beschoenigen und drumherum reden, der Elan, der mich am Anfang des Blogs einmal versprechen liess, hier mindestens einmal pro Woche etwas zu schreiben, der ist eben einfach weg.
Es war ein schleichender Abschied. Es ist ja nun nicht so, dass ich keine neuen Themen haette. Ich habe es ja noch nicht einmal geschafft, wenigstens eine Etage des neuen Hauses komplett zu beschreiben. Und daneben gibt es sogar bei den Bauvorbereitungen durchaus etwas Bewegung, ueber die sich schreiben liesse. Denn ich weiss jetzt, wie man zu einem Baustromkasten kommt oder wie man aus dem Ausland einen Telekomanschluss trotz nicht funktionierender 0800 Nummern bestellt. Ich koennte hier auch beschreiben, wie die Reaktion meiner englischen Kollegen war, als ich endlich mit der Neuigkeit herausruecken durfte, dass ich zurueck aufs Festland ziehe.
Durchaus interessante Themen, jedenfalls fuer mich. Etwas, dass ich gerne ich zehn oder zwanzig Jahren nochmal lesen wuerde, auf meiner Terrasse sitzend im Schatten meiner riesigen Obstbaeume, die ich mir zwecks Abgrenzung eines unbedingt zu schuetzenden Biotops anpfanzen musste und die mir seit Jahren meine schoene doch eigentlich unverbaubare Aussicht versperren.
An fehlenden Themen liegt es also nicht. Und wenn ich einmal wirklich gar nichts mehr zu sagen haette, einen mittellangen Aufsatz wuerde ich trotzdem hinbekommen. Arbeite ich ja schliesslich schon seit ueber sieben Jahren unter englischen Verhaeltnissen, in denen man viel redet ohne ein Wort zu sagen. Nirgendwo anders kann man das so schoen lernen, wie in englischen Bueros. Kein Wunder, dass das Original der Serie "Stromberg" aus England kommt. Hier heisst die Serie einfach "The Office" und spielt in Slough. Und genau im Nachbarort wohne ich auch noch. Aber ich schweife total ab.
Worueber wollte ich denn eigentlich schreiben? Ach ja, warum ich keinen Elan mehr fuer den Blog habe. Ist das wirklich ein interessantes Thema? Folgt jetzt gleich seitenweise Selbstmitleid und der Zorn des kleinen Mannes ueber die Selbstsucht der Bankenkonzerne?
Vor fast drei Wochen durften wir ja erfahren, dass diese Dabbeldieduh Bank uns nicht als Schuldner will. Alles nicht so wild, dachten wir da noch. Es gibt ja auch noch andere Banken. Zum Problem wird das ganze erst, wenn auch diese Banken nicht Teil meiner persoenlichen Schuldenkrise werden wollen.
Aber immerhin haetten wir zu diesem Zeitpunkt wenigstens eines. Denn wenn wir irgendwann einmal auch von der letzten Bank die Absage bekommen haben, dann haben wir wenigstens die Gewissheit, dass man sich spaetestens jetzt etwas neues einfallen lassen muss. Dann haette man wenigstens den Schlusspunkt erreicht, der zum Startpunkt einer neuen Geschichte werden koennte.
Hey - was soll's - die Ersparnisse waren ja zum Hausbau bereits vorbereitet. Jetzt lungern die bei nur 0,1% Zinsen rum. Hauen wir die doch einfach aufm Kopp und kaufen uns nen schickes Auto? Oder wir nehmen nen halbes Jahr Urlaub und ueberweisen einen Batzen Geld an die Jungs von Globebuster, die dann mit mir eine Motorradreise rund um die Welt unternehmen. Das waer doch mal was.
Aber soweit ist es ja noch nicht. In den letzten drei Wochen haben wir diesen Punkt ja noch nicht erreicht. Das einzige, was es in den letzten drei Wochen genug gab ist: Nichts.
Keine weitere Absage, erst recht keine Zusage... Auch keine: "Wir bearbeiten Ihre Anfrage und melden uns" Email. Nein. Einfach nur nichts.
Das allerdings nervt richtig. Situationen, in denen man hilflos auf die Entscheidung anderer wartet, kennt man ja schon. Jeder, der schon einmal eine Bewerbung fuer seinen Traumjob losgeschickt hat und dann voller Hoffnung aber auch mit einer gewissen Angst tagtaeglich den Brieftraeger erwartet, hat eine solche Phase schonmal durchgemacht. Aufregend? Vielleicht. Nur koennte ich auf diese Art der Aufregung derzeit gerne verzichten. In diesen Bewerbungsphasen hatte ich eine solche Aufregung eigentlich immer ganz gut im Griff. Man musste sich einfach nur nicht auf diesen einen Job versteifen und locker bleiben. Auch wenn sich die Stellenbeschreibung wie ein Auszug aus dem Luxuskreuzfahrtkatalog gelesen hat, auch dieser Job wird am Ende seine Haken haben und am Ende wird man auch wieder jammern. Vielleicht waere es sogar besser, wenn man den Job doch gar nicht bekommt, solange man solche Gedanken hat, kann Aufregung ueber das Erscheinen des Brieftraegers gar nicht erst aufkommen.
Uebertragen wir das doch mal auf die Geschichte mit unserem Haus. Beworben haben wir uns diesmal um eine Finanzierung. Alle Unterlagen liegen vor. Arbeitsvertrag, Gehaltsnachweis - alles sorgfaeltig kopiert und versendet. Vorher sich nochmal versichern lassen, dass man mit diesen Papieren auch ordentlich beeindrucken kann, denn bei der Bewerbung fuer einen Traumjob will man ja auch nur mit echt guten Zeugnissen vorstellig werden. Zwecks Erhoehung der Erfolgsaussichten sollte man auch noch ein paar weitere Nachweise der besonderen Befaehigung fuer den Job beilegen. Also irgendwelche Angeberzertifikate, Auslandsaufenthalte bei der Tante in Oesterreich oder Kopien von Veröffentlichungen in der Schuelerzeitung. In diesem Fall wurde also Grundstueckskaufvertrag, Eigenkapitalnachweis und KfW Beiblatt angefuegt, was soll jetzt noch schiefgehen. Das ganze jetzt noch schoen verpackt und unter Zuhilfenahme eines Headhunters - in diesem Fall nennen wir ihn mal Finanzierungsberater - an den gewuenschten Arbeit(Geld)geber versendet. Eine Zusage waere dann der Schluessel zum Glueck, der letzte noch fehlende Baustein zum Traumjob - also dem Traumhaus.
Was dann kommt, ist die Wartezeit. Und da heisst es, ruhig bleiben. Keine Gedanken verschwenden an das: "Was, wenn die absagen, was machen wir dann?" Genau diese Aufregung will ich vermeiden. Hilfreich dabei ist, sich immer wieder einzureden, dass man gar nicht ungeduldig ist und man total ueber den Dingen steht. Das ganze lief bei uns in 4 Phasen ab. Fangen wir also am besten gleich damit an...
Phase 1: Die Selbstueberschaetzung.
Was bin ich nicht fuer ein toller Hecht. Was ich nicht alles so mitbringe fuer diesen Job, begehrtes Spezialistenwissen und jahrelange Erfahrungen in der Branche. Das Bauland sogar schon gekauft und bezahlt, und trotzdem immer noch nen paar Euros in der Kasse die zu einer dicken Eigenkapitalquote reichen. Dazu nen schoenes Gehalt und nen Arbeitgeber, bei dessen Namen die Banken dieser Welt mit der Zunge schnalzen. Die sollen doch froh sein, mich als Kunden zu bekommen, endlich mal ein Darlehensvertrag, der sich richtig lohnt.
Phase 2: Die zwanghafte Selbstbestaetigung
Was haben wir nicht bisher alles schon erreicht! In jedem bisherigen Job ist es doch immer sehr gut gelaufen, man hat Dinge bewegt und vorangebracht. Wir haben Erfolge vorzuweisen, jawohl. Wir haben bereits eine Baugenehmigung, trotz der strengsten Gestaltungssatzung der Welt. Wir haben die Firma dazu bewegt, uns trotz Eurokrise und Doppel-Rezession einen Arbeitsvertrag fuer die Uebersendung nach Deutschland auszustellen. Bisher lief alles bestens, und das, darauf sind wir besonder stolz, trotz der vielen Stolpersteine. Aber genau die machen das Ganze doch erst wirklich interessant und nur mit denen wird man das Resultat am Ende noch viel mehr geniessen koennen. Warum sollte diese Gluecksphase gerade jetzt aufhoeren, c'mon - das stehen wir jetzt auch noch durch
Phase 3: Der Fuchs und die Trauben
Warum will ich diesen neuen Job ueberhaupt? Wenn ich es mir recht ueberlege, dann gefaellt mir der Gedanke, mich taeglich mit Tausenden anderen Pendlern in die Londoner Tube zu zwaengen, ganz und gar nicht. Oder zweimal im Monat 700 Kilometer nach Duesseldorf ins Buero fahren muessen, bei den ganzen Baustellen. Schon bei dem Gedanken wird mir schlecht. An so einem Hufhaus sieht man sich auch irgendwann mal satt, irgendwann ist der tolle Effekt, im Freien zu wohnen, verflogen und wir regen uns ueber verrueckt gewordene Dunstabzugshauben auf. Dafuer wirklich so nen Haufen Geld bezahlen, ist es das wirklich wert? Was koennte man nicht noch so alles fuer schoene Dinge mit diesem Geld machen. Wenn die Bank jetzt alle absagen sollte, dann tun die mir sogar einen Gefallen.
Phase 4: Der Plan B
Andere Vaeter haben auch schoene Toechter. Und ueberhaupt, was ist falsch an dem Job, den ich derzeit habe. Vielleicht rede ich ja mal mit dem Chef und es gibt nen nettes neues Projekt. Und wenn es mit dieser Bewerbung nicht klappen sollte, es gibt ja Alternativen. Dann finden wir eben eine andere, leichter finanzierbare Hausvariante. Oder wir bauen einfach gar nicht mehr. Jeden Tag wird weltweit die Flaeche von hunderten Fussballfeldern mit Beton versiegelt, das muessen wir ja nun nicht auch noch mitmachen. Das Land kriegen wir bestimmt wieder verkauft, irgendwann. Vielleicht mit Gewinn, wer weiss. Und im Internet habe ich letztens so eine richtig schoene Villa mit Blick in die Berge gesehen. Sogar guenstiger als unser geplantes Haus. Da rufe ich doch gleich mal an und frage nach einem Besichtigungstermin. Auch ohne Huf Haus wird das Leben weitergehen, schade um die bereits geleistete Anzahlung. Lehrgeld fuer den Groessenwahn. Kleinere Broetchen schmecken auch nicht schlechter. In England muessen wir deswegen noch lange nicht bleiben, das geht auch gar nicht. Vertrag ist Vertrag.
So ungefaehr sahen sie aus, die vier Phasen, die wir in den letzten Wochen so durchliefen. Wobei das Wort Phase eigentlich schlecht gewaehlt war, unterstellt das ja eine gewisse Sequenz. Besser passen wuerde das Wort: Gemuetszustande. Die oben genannten Zustaende wechseln sich derzeit doch recht haeufig ab. Man springt vor und zurueck und manchmal treffen sogar zwei Zustaende gleichzeitig zu. Beobachten liess sich aber, dass, je laenger die Wartezeit dauert, der Zustand 1 immer seltener vorkommt . Man wird leiser.
Derzeit durchleben wir gleichzeitig die Phase 4 und 2 - mit leichtem Uebergewicht fuer Zustand 4. Wir gucken wirklich schon nach gebrauchten Haeusern, kein Witz. Und das Beste daran, der Gedanke gefaellt uns noch nichtmal allzu schlecht. Das Leben steckt doch voller Ueberraschungen. Ist es nicht schoen, dass es fast fuer jede Herausforderung verschiedene Loesungsmoeglichkeiten gibt.
Damit will ich es heute mal beschliessen. Hatte ich nicht schon am Beginn dieses Blogs einmal geschrieben, dass der Ausgang der Geschichte alles andere als deutlich oder gesichert ist. Zu keinem Zeitpunkt unseres Projektes war das zutreffender, als fuer die letzten Tage.
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Hi Rene, die Bank hat Kopfschmerzen für den Fall, dass Du deinen Job verlierst und sie Dein Haus in der strukturschwachen Gegend versteigern müssen... Selbst mit 30%-40% EK könnte das tatsächlich zu Kopfschmerzen bei der Bank führen.
AntwortenLöschenEine eventuelle Alternative wäre das Projekt ins Rheinland / Ruhrgebiet zu verlegen. Dort gibts z.B. in Witten oder Ennepetal traumhafte Grundstücke mit Fernsicht für unter 100k. Die Gegend ist durchaus Einzugsgebiet von Düsseldorf, Essen, Dortmund, usw.
Sehe dort eigentlich keinen Grund warum eine Bank solch ein Haus nicht finanzieren sollte.
Wäre vielleicht eine Überlegung als Plan B wert... falls das mit den Banken nach Granit riecht.
Drück Dir die Daumen!
DW
Hallo,
Löschenja, ich verstehe das Konzept der Banken an dieser Stelle durchaus. Aber - sobald man mit dem Beleihungswert des Hauses eine gewisse Schwelle ueberschreitet, spiegelt sich das auch sofort im Zinssatz wieder. Weil dann trotz 30% EK an der Bausumme das Haus immer noch nach deren Rechnung mit 100% oder sogar 120% finanziert wird. Bei mir scheint aber der Fall zu sein, dass ich so weit ueber dem maximal erlaubten Beleihungswert liege, dass die Banken gar kein Angebot erst machen, sondern gleich ablehnen.
Und gegen Zahlungsausfall bei Arbeitslosigkeit kann man sich auch versichern, falls das eine Bank zur Voraussetzung machen wuerde, koennte man das durchaus verhandeln. Leider kam es bisher aber gar nicht so weit, dass man das haette anbieten koennen.
Vielen Dank aber fuer Deinen Vorschlag als Plan B. Werden wir in unsere Ueberlegungen mit einfliessen lassen.
Gruss
Rene
Hallo René,
AntwortenLöschensehr spannend, was und auch wie du schreibst, wie ich finde. Das hat auch einen Grund; ich habe einige Parallelen zu meinen eigenen Erfahrungen und Erlebnissen entdeckt. Teilen könnte ich mit euch zum Beispiel eine langjährige Erfahrung auf der Insel mit einem tollen Job, den ich dann gegen ein nicht weniger aufregendes Leben in der deutschen Hauptstadt eintauschte. Meine Wurzeln in der Oberlausitz, im Jahrgang müssten wir ziemlich dich beieinander liegen. Und ja, auch ich kenne die Gedanken, die entstehen, wenn man sich vorstellt, wie es wäre wieder ganz in die alte Heimat zu ziehen. Im Moment lebe ich im Spagat und fühle mich dabei auch ganz wohl. Eine Baustelle im wirklichen Sinne gibt es auch. Und wenn mich nicht alles täuscht, hast du Spass am Schreiben. Wann immer ich einen schönen Text beendet habe, fühl ich mich high five... Was ich sagen möchte, vielleicht wäre es schön sich mal auszutauschen?! Beim Lesen hatte ich spontan das Gefühl, dass dies eine gute Idee ist.
Wenn du's ähnlich siehst und eine Idee hast, auf welchem Weg oder Plattform das geschehen könnte, melde dich doch hier noch mal.
Liebe Grüsse von Bettina
Hallo,
LöschenDanke fuer den netten Kommentar. Du hast natuerlich Recht, mir macht das Schreiben Spass und wenn es anderen auch gefaellt, um so besser. Die Idee eines Austausches finde ich auch gut, wir hatten das Thema schon einmal im Beitrag "HOG"
Spontan hatte ich damals mal eine Webseite bei Jimdo aufgemacht - richtig mit Gaestebuch und so. Trag Dich doch da einfach mal ein, jemand muss ja der oder die erste sein... http://hhog.jimdo.com/gaestebuch/
Gruss
Rene