Montag, 19. März 2012

Pampa


ich erinnere mich noch sehr gut an das Gesicht meiner Schwester, als ich Ihr vor ueber sieben Jahren von unserem Beschluss erzaehlte, es mal fuer ein paar Jahre in England zu versuchen. Ohne den genauen Wortlaut wiederzugeben wuerde ich die Reaktion eher als verhalten beschreiben. Das Wetter, welches man am besten mit wechselhaft beschreiben kann, die Vorurteile gegenueber der englischen Kueche, die zu erwartenden Reibereien mit den Ureinwohnern, mit denen man sich ja im Urlaub ja so herrlich um die besten Pool - Liegen streiten kann - die Begeisterung hielt sich da eher in Grenzen.

Wenn wir jetzt zum Beispiel vorgehabt haetten nach Spanien zu gehen, ja, da waere Neid aufgekommen, aber England? Dahin nun eher nicht.
Zu dem Zeitpunkt hatten wir gerade selbst einen Urlaub auf Gran Canaria hinter uns, zwar auch eine Insel, aber das war es dann schon an Gemeinsamkeiten mit England. Ich konnte meine Schwester schon verstehen. Es mag bestimmt Leute geben, die nach England ziehen, weil sie sich damit einen Traum erfuellen. Das war aber ganz sicher nicht mein Fall.

OK, das Kapitel England wird ja nun bald sein Ende finden. Und so eine Neuigkeit macht natuerlich in meiner Familie und im Bekanntenkreis schnell seine Runde.  
Die Reaktion meiner Familie auf unsere Wahl des zukuenftigen Lebensmittelpunktes brauche ich hier eigentlich nicht beschreiben. Dieser fehlt es einfach an Unbefangenheit - die wuerde vor einem Gericht glatt abgewiesen werden.
Besser waere es, jemanden zu Wort kommen zu lassen, der nicht aus dieser Gegend stammt, am besten niemand aus den neuen Bundeslaendern. Von Vorteil waere schon, wenn dieser Jemand genug ueber diese Gegend weiss, um ueberhaupt eine Meinung zu haben oder vielleicht schonmal dort war.
Verlange ich zuviel?
Ist naemlich gar nicht einfach, so jemanden zu finden. Es hat bis zur letzten Woche gedauert, als ich endlich eine Meinung eines "unbefangenen" Mitmenschen hoeren durfte.

Und was sagt sie nun zu meiner neuen alten Heimat? Noch bevor ich sie fragen konnte kam schon:
"In diese Pampa willst du ziehen?"

Ich war uebergluecklich. Die Pampa! Ich hatte es also geschafft. Wohl wissend dass die Pampa eine Region zwischen den Anden und dem Antlantik ist. Welche Landschaft koennte fuer einen Auswanderer denn herausfordernder und landschaftlich reizvoller sein als Suedamerika? Wir ziehen also in eine Gegend die bei meinen Mitmenschen den gleichen Respekt erweckt, wie das doch viel groessere und landschaftlich doch so viel spektakulaerere Argentinien. Ein klarer Aufstieg nach England. Was ist dagegen schon Spanien?

Logisch, dass sie eigentlich die eher umgangssprachliche Bedeutung des Wortes Pampa meinte. Alles andere waere mir wohl doch recht spanisch vorgekommen. Pampa also im Sinne von abgelegen und einsam.

Allerhand. Und ich war noch nichtmal ueberrascht von dieser Reaktion. Eventuell fuehlt man sich in der Oberlausitz ja wirklich etwas abgeschieden und vergessen. Diesen Eindruck bekommt man oft, wenn man mit Daheimgebliebenen spricht. Aber stimmt das wirklich?

Gut, wenn man das ganze aus der Sicht von Frankfurt am Main betrachtet, dann mag da vielleicht was wahres dran sein. Besonders dann wenn der Horizont an den Grenzen Deutschlands aufhoert. So gesehen, liegt die Oberlausitz ja wirklich im letzten Zipfel. Danach kommt nur noch der graue Ostblock.

Moment... was kommt da? Die Welt ist an der Ostgrenze Deutschlands etwa doch nicht zu Ende?
Stimmt, Europa geht da noch nen ganzes Stueck weiter. Vielleicht liegt die Oberlausitz ja gar nicht so abgelegen, sondern sogar nach den Veraenderungen im ehemaligen Ostblock sogar eher zentral?
Das muss ich sofort erforschen. Ein erster Blick in die Karte zeigt ja schon, dass die Mitte Europas von der Oberlausitz nicht weit weg sein kann. Die Sache geht gut an.

Also flugs eine Karte aus dem Internet geladen und mittels der auf neuesten wissenschaftlichen Erkenntnissen basierenden FS Methode die Mitte Europas errechnet. Das geht ganz einfach, einfach zwei gleich lange Pfeile sich gegenueberliegend auf die Karte projizieren und das mehrfach in alle Himmelsrichtungen wiederholen, schon hat man die Mitte getroffen. Das sieht danach ungefaehr so aus wie im Bild unten.
Und wer haette das gedacht. Die Oberlausitz hat es fast genau getroffen.
  

Wir muessen uns ja jetzt nicht ueber ein paar 100 Kilometer streiten, so genau ist die FS Methode ja nicht. FS steht ja auch nur fuer "Frei Schnauze" und die Berechnung damit dauert dafuer auch nur wenige Minuten.
Wenn man mein Ergebnis mit der viel aufwaendigere Berechnung des franzoesischen Geographischen Instituts vergleicht, dann sieht man, dass auch solche Berechnungsmethoden zu komischen Ergebnissen fuehren. Die Kollegen dort packen die Mitte nach Litauen noerdlich von Vilnius. OK, ich hatte bei meiner Berechnung solche Nebensaechlichkeiten, dass auch die Azoren und Island zu Europa gehoeren, mal ignoriert. Da kom ich ja vielleicht eh nie hin. Und ausserdem wollte ich auch unter allen Umstaenden auf das von mir gewuenschte Ergebniss kommen, da unterscheidet sich meine Untersuchung kein bisschen von den meisten politischen Umfragen. 

Also stellen wir fest, abgelegen sind wir in der Oberlausitz nicht. Sondern richtig mittendrin. Wenn wir jetzt noch eine Autobahn haetten, dann waere alles gut.

Sind wir denn einsam in der Oberlausitz?

Andere Frage. Wann ist man eigentlich einsam?

Hier im Westen Londons habe ich eher zuwenig Einsamkeit als zuviel. Fast jeder Spaziergang oder jede Radtour endet irgendwann an einer Schranke mit der Aufschrift Privat. Wenn ich mit dem Auto auf der Landstrasse nach London fahre, verlasse ich nie eine geschlossene Ortschaft. Und irgendwann ist man in London und weiss gar nicht, wann es eigentlich angefangen hat. Zum Glueck warnen einen die grossen weissen Buchstaben "C" auf rotem Grund vor dem Erreichen der richtigen Stadtmitte. Ab hier kostet es Maut. Einmal reinfahren und auch wer sofort wendet und es in der gleichen Minute wieder nach draussen schafft, man ist auf der Kamera erfasst und 8 Pfund werden faellig. Bezahlt man die nicht, dann gibt es richtig Aerger, da kennen die trotz englischem Humor einfach keinen Spass.

Also, wo war ich stehengeblieben? Genau, immer vor dem weissen "C".

Und beim Thema Einsamkeit. Gegen etwas mehr Einsamkeit als jetzt haetten wir ja erstmal gar nichts einzuwenden. Schlimm wird sie doch erst nur, wenn man ihr nicht entfliehen kann.
Ich kannte mal jemanden, der fuehlte sich in Deutschland sehr stark eingeengt. Von seinem Heimatdorf sind bis in die naechstgelegene Ortschaft unglaubliche 90km zurueckzulegen, der Kollege kam aus Kasachstan. Nur gut, dass dieses Treffen noch vor dem Film "Borat" stattfand, sonst haette ich gleich an gruene Badeanzuege denken muessen.  
Damals kam mir nur eine unglaubliche leere Gegend in den Sinn. Eine echte Pampa eben.

Mist... jetzt denke ich gerade an gruene Badeanzuege!

Schnell zurueck in die Steppe, oder Pampa.. aehh... Oberlausitz. Dort ist es bei weitem nicht so einsam.
Wie man auf der Karte unten sehen kann: In einem 100km Umkreis (der innere Ring) sind schon ein paar recht bekannte und nicht gerade kleine Staedte wie Prag, Dresden oder Cottbus zu finden. Zieht man den Ring auf 200km, dann erreicht man fast Bayern oder Berlin.
Wem 100 oder sogar 200km dann doch zuviel fuer einen Tagesausflug sind, der kann auch gerne im 50km Umkreis bleiben. Dort gibt es neben Bautzen, Zittau, Loebau und Goerlitz auch ein Liberec. Letzteres hat immhin 104.000 Einwohnern. Sind wir jetzt immer noch Pampa?


Jetzt weiss ich ja, dass mich meine Bekannte mit dem Begriff Pampa auch nur aergern wollte. Sie hatte diese Gegend vor Jahren selbst besucht und sehr schoen gefunden. Umso gespannter war ich aber nun, was denn der Herr Huf Haus Verkaeufer ueber diese Gegend denken wird. Musste er doch fuer eine Grundstueckbesichtigung im Rahmen des ersten Planungsgespaeches einmal quer durch Deutschland nach Waltersdorf fahren. Und das im schoensten Nieselwinter. Beste Voraussetzungen also.

Ist euch aufgefallen, wie ich so kurz vor dem Ende dieses Beitrages doch noch ganz geschickt einen Bezug zu meinem Haus herstellen konnte. Schliesslich soll das ja auch teilweise ein Bautagebuch werden und nicht eine Werbeseite fuer den Tourismus in der Oberlausitz. Aber wenn man erstmal so ins Reden kommt!


Das Planungsgespraech ist Teil eines sogenannten Planungsvertrages. Neben dem Besuch des Baulandes sind in diesem auch ein gemeinsamer Besuch beim Bauamt und die Erstellung von ersten Entwurfszeichnungen enthalten. Umsonst gibt es diesen Vertrag nicht, allerdings kommen am Ende richtig edle 3D Zeichnungen des Hauses projiziert auf das eigene Grundstueck heraus. Diese kann man sich dann einrahmen und an die Wand haengen damit man spaeter mal seinen Enkeln erzaehlen kann, was fuer ein Haus wir beinahe mal gebaut haetten. Und schon das ist doch das Geld wert. Dazu kommt das gute Gefuehl, hiermit in den erlauchten Kreis der Huf Haus Kunden eingetreten zu sein. Unbezahlbar. Wenn das meine englischen Kollegen wuessten.

Doch bevor es so weit ist, gibt es in meinem Vertrag noch so eine Klausel. Erst wenn sich nach Einsicht der Bauvorschriften und dem Gespraech beim Bauamt herausstellen sollte, dass sich an dieser Stelle ein Huf Haus ueberhaupt verwirklichen lassen kann, ist der Planungsvertrag richtig in Kraft getreten. Erst dann gibt es die 3D Zeichnungen. Das ganze ist also schon ein gewisser Test fuer die Gestaltungssatzung, ueber die hatte ich hatte da ja schon mehrfach im Blog mein Leid geklagt. Kommt denn schon jetzt die Stunde der Wahrheit? Krieg ich noch nichtmal Bilder fuer die Wand fuer meine Enkel? Aber warten wir es ab.

OK, die Grundstueckbesichtigung wurde laut Plan gemacht, es gab viel Lob fuer dieses schoene Stueck Land mit der schoenen Aussicht in so einem huebschen Dorf. Genau was man eben so hoeren will als Koenig Kunde. Ich glaube aber, es hat dem Herrn Verkaeufer und dem Herrn Architekt wirklich gefallen, ist ja auch eine reizende Urlaubsgegend, erst recht so kurz vor Weihnachten und dann auch ganz im Schnee. Es fiel kein Wort von Pampa.

Gut gelaunt haben wir uns gleich auch beim zukuenftigen Nachbarn beliebt gemacht und den schoenen Mercedes direkt vor dessen Garage geparkt. Nur gut, dass das Huf Haus Logo doch recht dezent am Auto angebracht ist, vielleicht ist das der Nachbarin ja gar nicht aufgefallen, als sie uns von weiten angepfiffen hat. Schnell noch ein paar Fotos vom Nachbarhaus mit den unerlaubt grossen Dachueberhaengen gemacht. Kann man bestimmt noch gut gebrauchen.  

Dann ging es zum Bauamt in die Gemeinde Grossschoenau. Jetzt wurde es spannend. Allerdings verlief das Gespraech dann doch recht unspektakulaer. Wozu also die ganze Aufregung? Das war doch eine richtig nette Unterhaltung, ueber diese Gestaltungssatzung wurde zwar geredet, aber man zeigte sich durchaus offen fuer unsere Ideen. Ein paar oberlausitzer Elemente sollte das Haus schon aufweisen, es muss sich halt in die Gegend einfuegen. Nichts, dem ich widersprechen wuerde.
Ein kurzer Blick zum Verkaeufer, ich denke mal, dass wir diese Bauvorschriftenklausel im Planungsvertrag nicht brauchen werden. Ich kriege meine 3D Bilder.
Im Prinzip scheint also einem Huf Haus auch in Waltersdorf erstmal nichts im Wege zu stehen. Hatten wir die erste Huerde damit etwa schon genommen?

Nun, noch nicht ganz. Denn was wir im Gespraech auch erfahren durften, das letzte Wort hat der Landkreis, und der holt sich neben der Meinung des Bauamts auch noch die gewisser Bauaufsichts-, Denkmalschutz-, Naturschutz- und bestimmt noch mehr Aemter ein.
Aber das hat mich an diesem grauen Dezembertag erstmal nicht gestoert. Ich habe einen Planungsvertrag und bin in dem ueber die erste Klausel hinausgekommen. Und das ist ja auch schonmal etwas. Mal sehen, wie nahe wir unserem Traum im weiteren Verlauf noch kommen werden.

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