So dachte ich jedenfalls am Beginn der Woche 3. Ich sollte falsch liegen.
Diese Woche sah auf dem Huf-Bauplan den Beginn der Schreiner-, Elektro- und Sanitärarbeiten vor. Wir erwarteten also nur innerhalb des Hauses eine emsige Betriebsamkeit . Aber noch gab es eine weitere wichtige Aufgabe im Aussenbereich, die auf dem Ablaufplan der Firma Huf nur in einem Nebensatz erwähnt wurde. Um die Inbetriebnahme der Heizung in der nahen Zukunft zu ermöglichen, sollte innerhalb von 2 Wochen nach Aufstellung des Hauses die Erdwärmebohrung und das Einbringung der Sonden durchgeführt werden. Und genau das stand für die Woche 3 nun also an.
In einem früheren Beitrag hatte ich ja schon erwähnt, daß wir uns gegen die im Standard erhältliche Luft-Wärmepumpe entschieden hatten und an deren Stelle die Variante der Tiefenerdwärme bevorzugten. Unten in 100 Metern Tiefe ist es auch im tiefsten Waltersdorfer Winter immer wohlig warm, dasselbe kann man von der Luft an der Erdoberfläche in diesen Monaten nicht behaupten. Zum Glück bietet aber Huf die Variante der Erdwärmepumpe ohne Aufpreis an, man muß sich nur selbst um die besagte Bohrung kümmern.
Gekümmert hatte ich mich sogar schon im letzten Jahr, die von mir gewählte Firma machte einen soliden und seriösen Eindruck, der Preis lag in der erwarteten Region und auch der nachfolgende Prozess der Beantragung einer solchen Bohrung beim zuständigen Amt erweckte den Eindruck, daß die Kollegen nicht erst seit gestern in dieser Branche tätig sind. Bei einer geplanten Heizleistung unserer Wärmepumpe von 12,4kW waren also zwei Löcher mit jeweils 100 Metern vorgesehen, da war aber noch nicht sicher, ob auch das Warmwasser über die Wärmepumpe beheizt werden sollte. Wenige Wochen vor der Bohrung erreichte uns dann endlich ein Brief der Firma RedBlue Energy, der Elektro- und Sanitärfirma im Huf Verbund, mit genaueren Angaben. Und selbstverständlich heizen wir auch unser Dusch- und Badewasser mit Erdwärme, und schon waren unsere beiden geplanten Bohrlöcher 120 Meter tief. Na ja, wir wollen ja nicht riskieren, daß uns mitten im Duschvorgang das warme Wasser ausgeht. Hätte ich vielleicht doch noch erwähnen sollen, wie lange so eine durchschnittliche Dusche meiner Frau dauert und was für heiße Temperaturen dabei zum Einsatz kommen, der Bohrmeister hätte bestimmt noch 2 x 30 Meter draufgelegt. Sicher ist sicher. Ich werde hier im Blog von unseren Erfahrungen berichten, aber vielleicht habt ihr ja dann schon vorher das Kreischen meiner Gattin gehört und könnt euch euren Reim machen.
In den wenigen Wochen, die wir jetzt schon an unserem neuen Standort leben, haben wir bereits eine Menge Leute kennengelernt. Und mit dem Einprägen von neuen Namen ist es bei uns leider nicht weit her, darin ist meine Frau genauso schlecht, wie ich. Irgendwann werden wir bestimmt die wichtigsten Nachbarn beim Namen kennen, bis dahin behelfen wir uns mit Bezeichnungen, die als Codes in Ermangelung der echten Namenskenntnis verwendet werden. In unserer unmittelbaren Nachbarschaft leben zum Beispiel Grumpy, Spice Girl, Fatty, Funny Face und Skeleton - um nur einige zu nennen. Und auch der Chef der Bohrfirma bekam sofort einen solchen Code verpasst, obwohl wir hier den Namen eigentlich kannten. Einfach zu groß war die Ähnlichkeit mit dem Schauspieler Kevin James, der Chef unserer Bohrfirma hieß hier also nur noch "King of Queens".
Wie es sich für einen richtigen King gehört, übernahm er kurz danach die Herrschaft über den Teil des Baulandes, den wir für die Bohrungen vorgesehen hatten. Dabei ließ er sich auch nicht von der Tatsache abschrecken, daß der Weg zu den Bohrpunkten durch ein neues Haus versperrt und auch der Weg über unsere schützenswerte Wiese für seine Armee eigentlich tabu war. Wo ein Wille ist, da ist ein Weg, und der führte über eine unbefestigte Fahrstrasse, die unser Grundstück im Norden begrenzt. Danach ging es quer über das Grundstück meines Vermieters, dessen Wiese anscheinend nicht so schützenswert ist und mit Fahrzeugen befahren werden darf, um dann mit der gesamten Kavallerie kurz vor der Baugrenze in unser Land einzufallen.
Ja, diese Bilder sind von der Firmenhomepage - ich hatte leider das Fotografieren vergessen |
Nachdem der Einmarsch geglückt war, wurde sofort Stellung bezogen und das Land an seinen Grenzpunkten mit schwerem Gerät abgesteckt. An der einen Seite stand nach kurzer Zeit ein Schüttgutcontainer, an der nächsten der Riesenkompressor und vor dem Haus wurde der Stolz der Truppe aufgebaut, der knallrote Bohrhammer.
Und damit ging der Kampf gegen die seit Jahrmillionen unberührte Natur unterhalb unseres Grundstückes los. Innerhalb weniger Stunden waren auch schon die ersten Opfer zu beklagen, zuerst traf es die Regenwasserzisterne meines Vermieters, dessen Inhalt dem Riesendurst des Bohrers einfach nicht genug zu bieten hatte. Es würde Tage, wenn nicht Wochen dauern, bis diese den alten Füllstand wieder erreichen würde.
Ein nicht minder trauriges Schicksal traf kurze Zeit später eine Gartenwasserleitung, die dem Druck der Wasserpumpe nicht standhielt und die Sitzecke meiner Nachbarn mit einem Regenguss tropischen Ausmaßes bedachte. Erst der historische Hausbrunnen, der auf den schönen Namen "Heideborn" hört, war den Wasseransprüchen der Tiefenbohrung gewachsen.
Das ganze Wasser wird eigentlich nur zur Spülung der Bohrung benötigt, es wird sauber in das Bohrloch hinein gepumpt und kommt dreckig wieder raus. Danach muß es irgendwo hin, und weil wir nicht mutig genug waren, das Wasser einfach in den gemeindlichen Abwasserkanal einzuleiten, ließen wir es eben auf dem Grundstück versickern. Wie das Bauherren mit viel kleineren Grundstücken organisieren, ist mir ein Rätsel. Zum Glück hatte es in den Wochen vor der Bohrung recht wenig geregnet, der Boden war also sehr aufnahmebereit für das graue Nass. Die nächsten Opfer unseres Tiefendranges waren dann wohl eine nicht näher bestimmbare Anzahl Wühlmäuse, die sich vor der Sintflut nicht mehr rechtzeitig retten konnten. Es mußte Verluste geben bei einem solchen Eingriff in die Natur.
Derweilen stand der King siegessicher auf dem Land und beobachtete das Inferno. Brummend und hämmernd war der Bohrer im ersten Loch bereits gut und gerne 80 Meter verschwunden, alles deutete auf einen schnellen Sieg hin. Für die ganze Aktion hatte der King ja auch nur zwei Tage angesetzt, da war nicht viel Zeit für Sentimalitäten. Mit welchem Widerstand hätte er auch rechnen sollen? So ein Bergfels machte ihm keine Sorgen, je fester, desto besser. Und es war doch nur die Ruhe vor dem Sturm, denn es formierte sich eine gewisse Abwehr. Diese agierte zunächst nur im Verborgenen, im Schutze der Dunkelheit.
Am nächsten Morgen war das Ergebnis des ersten Gegenangriffes für alle in der Form eines aufgebrochenen Tankdeckels sichtbar. Dem Mercedes Actros LKW fehlten 500 Liter Diesel. Der erste Diebstahl seit Beginn der Baumaßnahmen.
Doch mit dem LKW hatten sich die Gegner das falsche Ziel ausgesucht. Dieses Fahrzeug war ja für den Erfolg der Mission strategisch eher unbedeutend, es stand ja nur für den späteren Abtransport der schweren Geräte bereit und bis dahin eigentlich nur rum. Die Bohrungen konnten also weitergehen und der Fortschritt war sogar schneller als geplant. Bereits am Mittag des zweiten Tages war das zweite Loch in der Tiefe von 120 Metern angekommen, das Ziel war erreicht, jetzt nur noch schnell die Sonde hineinstecken und den geordneten Rückzug antreten. Der King hatte es wieder einmal geschafft, er hatte ein weiteres Stück Erde unterworfen und für die Ausbeutung durch eine Wärmepumpe gefügig gemacht.
Doch noch gab sich der Gegner nicht geschlagen. Hatte schon die Nacht und Nebelaktion am Tank des Actros nichts gebracht, erfolgte der nächste Anschlag aus dem Untergrund. Oder besser gesagt, im Untergrund. Denn irgendwo in 70 Metern Tiefe wurde ein Felsbrocken organisiert, der sich nun dem Einbringen der Sonde widersetzte. Da konnte die gesamte Mannschaft mit vereinten Kräften an der Sonde schieben, es gab kein Vorankommen. Es half alles nichts, die Sonde wurde wieder aus dem Boden entfernt und der Bohrer musste zum dritten Mal ran. Dies bedeutete leider mehr als einen ganzen Tag Verzögerung, bedingt durch den Umstand, daß am nächsten Morgen der Tag der Arbeit begann, ein Tag, der ironischerweise arbeitsfrei bleiben mußte.
Einen ganzen Tag lang herrschte also Ruhe auf dem Feld, der King hatte sich in sein Heimatland zurückgezogen, in der Erwartung eines sicheren Sieges einen Tag später. Dass dieser Tag der Höhepunkt der Drei-Tage Offensive werden sollte, war nicht wirklich vorherzusehen. Nichts deutete darauf hin, daß der Gegner des Bauvorhabens am dritten Tag doch noch einmal zur Tat schreiten würde. Und diesmal war es sogar eine offen ausgetragene Konfrontation und nicht nur feige Sabotage. Die Aktvitäten auf dem Bohrfeld waren eigentlich schon beendet, die Sonden steckten fest in beiden Löchern. Alles war bereit für den Rückzug, als ersichtlich wurde, daß die einzige Straße, die in die Heimat führte, durch ein parkendes Auto zugestellt war.
Nun, das kann ja mal passieren, daß sich jemand in einen unbefestigten Weg verfährt und damit versehentlich den einzigen Ausweg versperrt. Doch hier herrschte leider pure Absicht, denn der Fahrer des Wagens stand breitbeinig mit verkreuzten Armen neben seinem Auto und ließ verlauten, daß er sein Blech keinen Millimeter bewegen wird, weil er das Recht hätte, hier zu stehen. Die Bohrmannschaft in seiner Meinung hat sich Zugang zum Land über eine nicht öffentliche Straße verschafft, und für diese Straße nimmt er sich nun das Recht heraus, sie zu seinem persönlichen Parkplatz umzufunktionieren. Falls die Frage hochkommen sollte, es handelte sich natürlich wieder um meinen lieben Nachbarn, der ja schon mehrfach mit verschiedenen lächerlichen Aktionen gegen die Bauarbeiten auffällig wurde.
Jetzt gab es für den King zwei Möglichkeiten. Seines Rechtes der freien Bewegung beraubt, hätte er Gewalt anwenden und mit seinem Radlader den kleinen Opel anheben und an die Seite stellen können. Diese Option wurde ernsthaft diskutiert, doch aus Angst vor Kratzern am Radlader wieder verworfen. Die zweite Option war die Anforderung von Verstärkung, und die kam dann auch kurze Zeit später in der Form der örtlichen Polizei. Nach einer Schnellschulung in der Theorie der Straßenverkehrsordnung war uns dann allen schnell klar, was eine öffentliche von einer nicht-öffentlichen Straße unterscheidet. Ganz einfach gesagt, alles was wie eine Strasse aussieht und nicht mittels Schranke oder Verkehrsschilder Fahrzeuge an der Einfahrt behindert, ist öffentlich, egal ob befestigt oder nicht. Daß der Nachbar sein Auto mutwillig und unter Billigung der Behinderung der Bohrfirma in dieser öffentliche Straße geparkt hat, erfüllte den Tatbestand der Nötigung. So sah es nicht nur der King sondern auch der Polizist, und somit kam es zur Anzeige.
Wir standen bei dieser ganzen Aktion eigentlich nur kopfschüttelnd daneben. Mit meinen verbalen Versuchen, auf das Gemüt dieser Person einzuwirken, konnte ich leider nichts erreichen. Ich weiß ja inzwischen, daß dieser Nachbar niemals unser Freund werden würde, doch ein klein wenig mehr Selbstbeherrschung hätte ich einem zirka Vierzigjährigen Erwachsenen durchaus zugetraut. Sogar sein Vater kam während dieser Aktion auf mich zu und schüttelte mir die Hand, verbunden mit der Aussage, daß auch er ratlos ist. Ein einsamer Kampf gegen einen Hausbau, isoliert sogar von seinen eigenen Eltern. Wieviel ihn diese Anzeige jetzt kosten wird, will ich mir lieber gar nicht ausmalen. Denn es war offensichtlich, daß er hier mit dem King an den Falschen geraten ist. Eine Bohrkolonne nebst schweren Geräten für mehrere Stunden auf einem Grundstück einzusperren, ist kein Kavaliersdelikt. Anwalts- und Gerichtskosten, Verdienstausfall für die Firma und andere noch nicht bekannte Kosten werden diese unbedachte Aktion zu einer richtig teuren Angelegenheit machen.
Don't mess with the King. Es wird ihm hoffentlich eine Lehre sein.