Montag, 25. März 2013

Jetzt gibt es was aufs Dach

Zuerst möchte ich eine kurze Entschuldigung für den Titel dieses Beitrages voranstellen. Bisher habe ich ja immer etwas versucht, den Inhalt der Blogbeiträge im jeweiligen Titel etwas zu verschleiern, nur diesmal fiel mir leider wirklich keine bessere Überschrift ein. Also lassen wir es einfach mal dabei und tippen los. 
Denn es geht im heutigen Post wirklich ganz banal um das Dach unseres Hauses.

Stopp, könnte jetzt der werte Stammleser schreien, wie kann es denn sein, daß wir hier auf einmal so einen Zeitsprung machen? Gab es doch nach der Fertigstellung des Kellers im November bislang keinen weiteren Beitrag mehr, der in irgendeiner Weise einen gewissen Baufortschritt beschrieben hätte. Sollte man vor der Diskussion rund um ein Dach nicht erst einmal eine Beschreibung des Aufbaus des Hauses liefern? Der Aufbau genau des Hauses, von dem hier im Blog noch nicht einmal alle Etagen als Grundriss vorgestellt wurden. Und nun gleich das Dach?

Nun, ich kann alle, die meinen Blog regelmäßig lesen, beruhigen. Der kälteste März in Deutschland seit Beginn der Aufzeichnungen hat unserer Baustelle selbstverständlich weiterhin einen Baustopp auferlegt. Ihr habt nichts verpasst, unser schönes Huf Haus sieht immer noch wie die Einfahrt einer Tiefgarage aus. Aber doch muß ich heute mal ein paar Worte zu unserem geplanten Dach verlieren. Auch wenn es immer noch einige Wochen dauern wird, bevor aus dem Plan dann endlich die Realität wird
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Schon in früheren Beiträgen war die Art der Bedachung hin und wieder ein Thema. Diese Beiträge hatten alle irgendetwas mit der lieben und schon oft zitierten Gestaltungssatzung zu tun. Dem Thema Dach wird dort gleich ein ganzes Kapitel gewidmet in dem sich mehrere Richtlinien verstecken.

Zum ersten mussten wir uns auf einen doch recht ungewöhnlichen 45 Grad Dachwinkel einlassen. Ungewöhnlich vor allem für ein Huf Haus, denn dort ist meistens bei 30 Grad Schluss. Warum wir diesen Winkel brauchen, verrät die Satzung nicht, vielleicht hängt das mit der im Zittauer Gebirge zu erwartenden Schneelast zusammen und der Hoffnung, daß das weiße Zeug von Steildächern einfach besser runterrutschen kann. Irgendeinen Grund wird es wohl geben, daß unsere Vorfahren nur selten Häuser im Bauhaus-Flachdach-Stil errichten haben. Und um sich in die Reihe denkmalgeschützter Häuser besser einzureihen, musste eben auch bei uns so ein Dach her. Daran ließ die Satzung keinen Zweifel.

Unsere erste Reaktion darauf war die Befürchtung, daß sich aufgrund des steilen Dachwinkels der typische Charakter eines Huf Hauses am Ende nicht so recht einstellen wird. Doch dann kamen die ersten Zeichnungen und spätestens nach Ansicht der 3D Simulation waren wir überzeugt und beruhigt. Inzwischen haben wir uns sogar schon so sehr an den zukünftigen Anblick unseres Hausdaches gewöhnt, daß Huf Häuser mit einem normalen 30 Grad Dachwinkel gleich wieder komisch wirken. Die Schönheit eines rechten Winkels erschließt sich eben nicht auf dem ersten Blick. Der Mensch ist halt ein Gewohnheitstier. Nach acht Jahren in England fingen sogar Autos mit Linkslenkung für mich an, komisch auszusehen. (Kleine Anmerkung, Linkslenker sind die Autos, so wie sie in Deutschland herumfahren)

Die erste Vorgabe der Satzung zum Thema Dach wurde also artig befolgt, nicht so einfach geschlagen geben wollten wir uns aber bei der nächsten. Denn diese betraf den Huf Haus typischen Dachüberhang. Vorgeschrieben ist laut Satzung nur ein anständiger Kurzhaarschnitt. An allen Seiten des Hauses durfte das Dach nur wenige Zentimeter über die Grenze ragen, dagegen sieht ein Huf Haus mit der zum Teil doch recht obszönen Haarpracht fast wie ein später Beatle aus. Und genau wie bei einer Mutter eines langhaarigen Sohnes hat mich der Dachüberhang unseres geplanten Hauses speziell im Zusammenhang mit dem öffentlichen Eindruck, den eine solche Frisur macht, lange nicht schlafen lassen. Ich war überzeugt, falls wir wirklich bei den Behörden durchfallen werden und keine Baugenehmigung bekommen sollten, dann hat es am Dachüberhang gelegen.

Hier haben wir die Genehmigungsfähigkeit also am weitesten ausgetestet, denn hier haben wir den Huf Standard komplett in den Entwurf gelassen. Wir wollten hier einfach keinen Kompromiss. Im Gegensatz zum Steildach hätten wir uns an ein Huf Haus mit Stoppelschnitt niemals gewöhnen können.
Nun hat so ein Dachüberhang ja nicht nur optische Vorzüge, er beschützt auch das Holz und die Fenster vor zu viel Sonne oder Regen. Wir sind auch mit diesem Dachüberhang schon auf die Innentemperaturen im Sommer gespannt, wer weiß, wo die landen würden, wenn man gar keinen Dachschatten hätte. Vorsorglich wurde sogar die Wärmepumpe mit Kühlfunktion bestellt, man weiß ja nie und will am Ende nicht sagen, ach hätten wir doch. Sollte sich durch den Dachüberhang zusätzlich auch noch das eine oder andere Fensterputzen erübrigen, dann hat der seinen Zweck wirklich voll erfüllt und es war eine der besten Entscheidungen des Architekten, diesen in die Liste der beantragten Abweichungen aufzunehmen.

Nach zwei Paragraphen herrscht also Gleichstand zwischen Satzungskonformität und Rebellion. Was uns zur letzten Dach-Vorschrift der Gestaltungssatzung führt, den Vorgaben zur Art der Dachdeckung. Ganze zwei Varianten waren laut Satzung zulässig, entweder naturroter Biberschwanz oder schwarzer Naturschiefer. Und was macht man nun als erfahrener Herr Architekt, der die Wohlgefälligkeit der Bauaufsicht an dieser Stelle nicht noch weiter strapazieren möchte? Nun, ganz einfach… beide Varianten werden so in den Antrag zur Baugenehmigung hineingeschrieben. Damit demonstrieren wir guten Willen und lassen die Satzung 2:1 gewinnen. Wenn es der Sache dient und sich das Haus trotz der langen Haare dadurch genehmigen lässt, warum auch nicht.

Ich hatte auch wirklich kein Problem damit, konnte ich mich speziell an den Anblick eines Schieferdaches ja auch recht schnell gewöhnen. Ein rotes Biberschwanzdach sollte es dann aber doch nicht sein. Hatte nicht schon Ric in seinem Blog am Tag der Dacheindeckung den Laster mit den roten Dachpfannen wieder nach Hartenfels geschickt? Soweit wollte ich es gar nicht erst kommen lassen. Spätestens der Anblick des eventuell bekannten Bildes eines Huf Hauses inklusive Flugzeughangar machte deutlich, Huf Haus und rote Dächer passen einfach nicht zusammen. Das Haus ist mit Sicherheit nicht hässlich, das auf keinen Fall. Nur das rote Dach trübte den Gesamteindruck doch gewaltig.

Nun ist Schiefer ja zum Glück grauschwarz und sieht damit zumindest farblich fast wie ein Huf Standarddach aus. Nehmen wir es also mal hin, daß solche Dächer auf historischen Gebäuden oder Häusern mit einer recht klassischen Architektur immer noch etwas besser passen. Wenn wir unbedingt ein Schieferdach kriegen müssen, dann ist das eben so.



Solange das Dach nicht rot ist, werde ich mich an jede Dacheindeckung gewöhnen können. Diese Meinung teile ich übrigens nicht mit unserem Herr Huf-Haus-Verkäufer. Sagte er doch: „Auf das Dach gucken Sie später eh nie“

Genau da muss ich ihm aber doch zum ersten Mal widersprechen. Jetzt leben wir schon seit zwei Monaten in Waltersdorf, genug Zeit, um schon so etwas wie einen neuen Lieblingsplatz zu finden. An den meisten lauen Frühlingsabenden krabbelte ich dann den direkt am Grundstück befindlichen Butterberg hoch und lasse mich auf der sogenannten „Schiffnerbank“ nieder. Von dort oben hat man einen traumhaften Blick in das Oberdorf mit der dahinterliegenden Bergwelt. Und von dort wird man später auch einmal ganz herrlich unser Haus sehen können. Und da kann ich ja nun gar nicht anders, als mir immer wieder unser Dach anzugucken, schließlich befindet sich diese Bank ja geschätzte fünfzig Höhenmeter über der Haus-Oberkante. Ob man in der Entfernung dann auch noch unterscheiden kann, ob es sich um ein Beton-, Ton- oder Schieferdach handelt, weiß ich nicht. Aber ob es rot oder schwarz ist, das werde ich hoffentlich noch im hohen Alter erkennen, sollte ich es dann noch bis zu der Bank schaffen.





Wie also schon mehrfach geschrieben, an das Aussehen eines Schieferdaches werden wir uns schnell gewöhnen. Inzwischen erfolgte ja auch die Baugenehmigung, es könnte also alles seinen normalen Gang gehen und damit dieser Beitrag schon enden.

Aber es geht noch weiter. Denn auch wenn das Aussehen eines Schieferdaches im Gegensatz zum Steildach nicht wirklich einen ästhetischen  Grund für Bedenken bietet, so kommt es leider mit einem recht ordentlichen Preisaufschlag daher. Und der blieb auch dann noch ordentlich, nachdem uns Huf Haus ohne jede Diskussion ihre nicht genehmigungsfähige Standarddachdeckung heraus gerechnet hat. Immer noch kostete so ein Schieferdach mindestens so viel Aufpreis wie ein gut ausgestatteter Mittelklassewagen. Bei Preisen von weit über 100 Euro pro Quadratmeter kommt bei einem Huf Haus mit den schönen großen Dachüberhängen ganz schnell eine recht stolze Summe zusammen. Und daß, obwohl wir hier schon vergleichsweise günstige Angebote von ortsansässigen Dachdeckern gefunden hatten. Huf Haus hätte sich bei dieser Art der Deckung auch von einem Fachbetrieb aushelfen lassen müssen, die Preisvorstellungen der durch Huf angefragten Dachdecker befanden sich aber in Regionen, für die man fast schon einen wissenschaftlichen Taschenrechner braucht.

Doch was sollten wir auch machen? Ein rotes Biberschwanzdach erwies sich zum Glück als nicht wirklich viel billiger, sonst wäre ich vielleicht in Versuchung gekommen. Was würde denn passieren, wenn ich aus Kostengründen einfach das viel günstigere Huf Standarddach auf das Haus lege? Soweit ich weiß erfolgt keine Abnahme des fertigen Hauses, aber sollten wir doch auffallen, könnte man uns zum Neueindecken des Hauses zwingen? Wie weit geht das Prinzip der Verhältnismäßigkeit?

Ich bin bei weitem keiner derjenigen, die sich gerne mit den Behörden anlegen. Ich habe sogar in England meine Parkzettel immer artig bezahlt, und das, obwohl ich mit meinem deutschen Nummernschild da drüben vielleicht nicht unbedingt der unmittelbaren Gefahr einer Verfolgung ins Auge sehen musste. Immer schön unterm Radar bleiben, das ist mein Motto. Ob ich mit einem illegalen Dach die schöne Aussicht immer noch in Ruhe hätte genießen können, bezweifele ich. Wahrscheinlich hätte ich bei jedem weißen Auto versucht zu erkennen, ob sich die Aufschrift „Ordnungsamt“ an der Tür lesen lässt. Die Tendenz war eindeutig, diese teure Kröte zu schlucken und das ungewollte Dach am Ende eben einfach zu akzeptieren.

Jetzt ist der Beitrag aber wirklich zu Ende. Was soll denn jetzt noch kommen zum Thema Dach? Nun, schon die Art der Frage lässt vermuten, daß die Geschichte immer noch etwas weitergeht. Denn ich hatte die Rechnung ja ohne die Banken gemacht. An dem Tag, als neben der Baugenehmigung auch der deutsche Arbeitsvertrag mit der Post eintrudelte, da war an der Finanzierungsfront noch alles in Ordnung. Die erhöhten Kosten aus Dachaufbau und dem damit verbundenen konstruktiven Mehraufwand (was für eine herrliche Wortkombination, die ich vor kurzem auch wieder im Blog von Bastian lesen konnte), die finanziellen Nachwirkungen der Ausstattungsprotokoll-Orgie und nun zusätzlich auch noch das teure Schieferdach erzwangen zwar eine Neuberechnung unserer einstmals geplanten Finanzierung. Aber hey, die Zinsen sind billig und wenn sich trotz Erhöhung der Finanzierungssumme die monatliche Rate immer noch im Bereich des Machbaren wiederfindet, was kostet die Welt!!?

Ich will hier nun wirklich nicht noch einmal das ganze Dilemma der Suche nach einer Finanzierung erzählen. Dazu gab es in der Vergangenheit im Blog schon zu viele Beiträge. Verweisen möchte ich aber auf den Post „Lücken schließen“ – in dem wurde zwar hauptsächlich die letzte Ecke im Grundriss des Wohnkellers beschrieben, aber eben auch das verbliebene Problem mit der zu erwartenden Finanzierungszusage  angesprochen. Aufgrund diverser Abzüge, die die Banken am Beleihungswert unseres Objektes machten, blieb auch beim Besten aller Angebote am Ende eine gewaltige Finanzierungslücke. Und diese galt es erst einmal zu schließen.

So eine Finanzierungslücke kann man immerhin von zwei Seiten bearbeiten. Man kann versuchen, auf anderen geeigneten und ungeeigneten Wegen oder sogar unlauteren Mitteln an das fehlende Kapital zu kommen. Geld einfach nur zu sparen, dafür war nicht genug Zeit, und die Ersparnisse der Familie waren schon abgegrast. Also musste an der anderen Seite der Finanzierungslücke angesetzt werden, indem man einfach die Kosten für das Projekt reduziert. Ist ja nicht wirklich schwierig, ein paar Telefonate mit dem netten Herrn Ausstattungsprotokoll und schnell fliegen solche Sachen wie ein Carport oder die Gebäudeautomation in den Mülleimer. Das gesparte Geld hätte durchaus zum Schließen der Lücke ausreichen können.

Doch genau darin lag ein Trugschluss und es offenbarte sich ein echtes Finanzierungsdilemma. Denn nimmt man bestimmte Ausstattungsoptionen wieder aus dem Haus heraus, dann stimmt die Bewertung, die die Bank bereits für das Haus vorgenommen hatte, nicht mehr. Das Haus wird durch die Reduktion der Ausstattung für die Bank automatisch gleich weniger wert, und folglich ist die Lücke durch diese Aktion gar nicht wie geplant kleiner geworden. Ihr könnt mir noch folgen, oder? Der Trick bei der Streichung muss also darin liegen, nur solche Elemente aus der Ausstattung zu nehmen, die den Wert des Hauses kaum verändern.

Doch was für Ausstattungsoptionen sollten das sein? Belassen wir die Innentüren des Kellers jetzt eben doch in Stahl oder streichen die elektrische Bedienung der Oberlichter, das bringt alles nichts, denn diese Erweiterungen sind für das Schließen meiner Finanzierungslücke leider nicht teuer genug. Das hätte die Firma Huf Haus bestimmt nicht gedacht, daß sich mal einer beschwert, daß deren optionalen Ausstattungen nicht teuer genug sind. Aber so ist hier nun mal die Situation.

Bestimmt könnt Ihr schon erraten, welcher Ansatz am Ende eine Lösung versprach. Es war natürlich wieder einmal das Dach, welches mit der Bank verhandelbar war. Auch wenn so ein Schieferdach recht teuer ist, es scheint für den Wert eines Beleihungsobjektes in der Preisregion eines Huf Hauses nicht mehr wirklich relevant zu sein, welche Art der Dachdeckung am Ende vorliegt. Mit anderen Worten, ein Schieferdach erhöht den Wert eines Huf Hauses nicht, und das ist genau das gewünschte Kriterium, welches dieses Ausstattungsmerkmal auf die virtuelle Streichliste verschob. Wie bringen wir das nun dem Bauamt bei?

Legal wollte ich in dieser Sache schon bleiben, das erwähnte ich ja schon. Auch wenn ich mit dieser Einstellung von meinem neuen Nachbarn belächelt werde. Wer viel fragt, der kriegt viele Antworten… aber so eine Frage kostet ja erst mal nichts. Die nette Frau von der Bauaufsicht war auch sehr verständnisvoll und hilfsbereit, leider lag diese Entscheidung aber nicht in ihrem Kompetenzbereich. Es war die Gemeinde, die sich vor vielen Jahren diese schöne Gestaltungssatzung ausgedacht hatte. Also folgte der Tipp, mein Ansinnen mittels Anschreiben auf den ordentlichen Dienstweg zu bringen und der Dinge zu harren.

Dem Telefonat folgte ein formloses Schreiben, mit der Bitte, den Wunsch nach einer abweichenden Dachdeckung wohlwollend zu prüfen. Ich hatte darin neben der Finanzierungsproblematik sogar auch noch weitere Gründe erarbeitet. So fanden sich am Ende auch die terminlichen Probleme der Abstimmung zwischen einem Schlüsselfertig-Hausbauer und einem lokalen Dachdecker und auch ein kleiner, nicht ernst gemeinter Verweis auf Dachdeckungen bei Neubauten in der Nachbarschaft, die in keinem einzigen Fall der Gestaltungssatzung folgen mussten, wieder. Und es wurde sogar auch gleich ein gewisses Entgegenkommen in den Antrag eingearbeitet. Statt der Huf Standard Dachpfannen wollte ich als Alternative die Tegalit Braas - Flachpfannen anbieten, die zwar etwas aufpreispflichtig sind, aber dem Aussehen eines Schieferdaches um einiges näher kommen, als das Huf Standarddach. Daß ich trotz des Aufpreises von den Kosten eines Schieferdaches immer noch ein gutes Stück entfernt lag, brauche ich hier ja nicht zu erwähnen.




Und dann vergingen Wochen des Wartens. Ich wusste ja schon von der Baugenehmigung, daß die Gemeinde solche Anträge nur in einer monatlich stattfindenden technischen Ausschusssitzung bespricht, habe also nicht mit einer schnellen Reaktion des Amtes gerechnet. Für die November Sitzung kam mein Antrag leider zu spät. Im Dezember fiel die Sitzung aufgrund der fehlenden Masse an zu besprechenden Themen aus. Und auf meine Nachfrage im Januar wurde mir mitgeteilt, daß auch im Januar wieder keine Sitzung stattfinden wird. OK, dachte ich, wir haben ja noch Zeit. Umso größer war meine Überraschung, daß ich kurz nach dieser Info eine email im Briefkasten hatte, in der mir die Bauaufsicht von der Ablehnung des Antrages durch die Gemeinde berichtete. Gründe für die Ablehnung gab es keine, aber immerhin erklärte sich die Dame bereit, mir bei einem persönlichen Gespräch weitere Hintergründe zu nennen.

Endlich konnte ich den Vorteil meiner neu gewonnenen räumlichen Nähe voll ausspielen und mich gleich auf den Weg nach Zittau ins Amt begeben. Bei der Gelegenheit inspizierte ich auf der Hauptstraße in Großschönau auch gleich einmal die örtlichen Begebenheiten der lokalen Sparkassen hinsichtlich vorhandener Fluchtwege und durchschnittlicher Anzahl Kunden pro Stunde, vielleicht gab es ja doch noch andere, weit interessantere Wege zur Schließung meiner Finanzierungslücke.

Doch dazu musste es zum Glück nicht kommen. Denn die Ablehnung war wohl nur eine reine Formsache (großes Aufatmen). Aufgrund der ausgefallenen Sitzungen in den Monaten Dezember und Januar war die Gemeinde wohl nicht mehr in der Lage, über den Antrag fristgerecht zu entscheiden, und da eine Überschreitung der Frist automatisch zur Annahme des Antrages führt, wurde mit Bezug auf die bereits erteilten Ausnahmegenehmigungen bei der ersten Baugenehmigung der Antrag jetzt eben abgelehnt. Was ist Recht, oh Salomon?

War das jetzt wirklich das letzte Wort? Doch wohl eher nicht, denn der Ausschuss, der diese Sachen eigentlich entscheidet, hat ja noch nicht einmal die Chance gehabt, sich meine Argumente anzuhören. Mit der Idee, direkt beim Bauamt in Großschönau nochmals vorzusprechen, verließ ich das Bauaufsichtsamt, um kurz danach mit dem Herrn Amtsleiter ein persönliches Gespräch zu haben. Schön, in einer Stadt der kurzen Dienstwege zu leben, ein gewisses Maß an Aufdringlichkeit einmal vorausgesetzt. In diesem Gespräch wurde ich gebeten, ein Exemplar dieser Tegalit Pfanne zu besorgen, damit man in der Ausschusssitzung etwas in den Händen halten kann. Die Idee, daß es also doch noch zu einer Sitzung kommen wird, in der mein Anliegen zur Sprache kommen würde, machte mich richtig euphorisch. Wenige Tage danach erreichten uns auch die Einzelbruchstücke dieser Dachpfanne, aber das schadete meiner neu gewonnenen Zuversicht kein bisschen. Im März fand dann endlich die ersehnte Ausschusssitzung statt, nur vier Monate nach Eingang des ersten Anschreibens. Und dort wurde das neue Dach auch wirklich genehmigt, es geschehen eben wirklich noch Wunder. Daß wir den Bescheid sogar zum durch die UN neu ausgerufenen „Tag des Glücks“ im Briefkasten hatten, wollen wir auch nicht unerwähnt lassen.

Damit ist nun endlich die Lücke zu, die Finanzierung steht aufgrund dieser signifikanten Ersparnis endlich auf annähernd soliden Beinen. Wir werden also ein legales und bezahlbares Dach haben, welches einem Schieferdach hinsichtlich Qualität und Aussehen nicht viel nachstehen wird. Und wir werden für den Rest der Bauarbeiten nur noch mit einer einzigen ausführenden Firma verhandeln müssen, keine Termin- oder andere Schwierigkeiten, die aus dem Zusammenspiel mit einem Dachdecker entstanden wären. Großes Aufatmen auf Seiten des Bauherrn. Ab jetzt wird alles gut… bis zum nächsten Problem.

Nur noch drei Wochen, dann ist es auch bei uns soweit. Bis dahin müssen nur noch die paar Zentimeter Schnee wegtauen und der Frost muß aus dem Boden. Dann kommt bald noch einmal die Kellertruppe, um meine verkorksten Verfüllschutzplatten zu reparieren, dann kommt auch endlich die Erde zurück in die Baugrube, damit der Keller nicht so friert. Und Mitte April wird das große grüne Paket das Werk in Hartenfels verlassen und sich auf den Weg in den fernen Osten machen. Spätestens dann werden wir sehen, wie so ein Huf Haus mit 45 Grad Dach in der Realität aussieht. Wie ein Huf Haus mit Schieferdach wirkt, darauf müssen wir aber noch ein wenig warten. Wer allerdings schon so ein Haus kennt, ich wäre über ein Foto sehr dankbar.


Montag, 11. März 2013

Spontanität

Es ist noch gar nicht lange her, da habe ich hier im Blog darüber geschrieben, wie sehr ich in Zukunft aufpassen möchte, einfach etwas weniger zu verpassen. Damals war es der erste Spatenstich - oder besser Baggeranstich, dem ich aufgrund meiner rämlichen Distanz leider nicht beiwohnen konnte und der mich zum Schreiben des damaligen Beitrages bewog.

So einen Anstich zu verpassen, ist wie die Startpistole nicht zu hören, aber ist ja jetzt nicht mehr zu ändern. Trost spendete mir der Gedanke, daß ich bei den nächsten Fortschritten am Haus ja direkt auf der Baustelle wohne und somit eigentlich keine weitere Gelegenheit haben sollte, etwas zu verpassen.

Ich habe es ja schon in der Huf Haus Grand Designs Folge gesehen, daß man sein Haus bereits in der Werkhalle besichtigen kann, noch während es sich in der Produktion befindet. Ob man allerdings dann auch die Ehre hat, vom Chef persönlich in die Geheimnisse des Wandaufbaus eingeführt zu werden, bezweifel ich zwar, aber der Gedanke, sein Haus schon einmal anfassen zu können, bevor es auf der Baustelle angekommen ist, der gefiel mir schon sehr.

Schon einmal in meinem Leben kam es zu einer recht ähnlichen Situation. Als stolzer Fast-Besitzer eines nagelneuen Audi habe ich es mir vor vielen Jahren nicht nehmen lassen, den Wagen direkt im Werk Ingolstadt abzuholen. Das Ganze war verbunden mit einem schicken Essen, einer Werksführung und dann als Höhepunkt natürlich der feierlichen Übergabe. Zugegeben, ich habe natürlich nicht mein eigenes Auto in der Produktion gesehen, aber doch war das schon ein recht verbindendes Erlebnis. Ich habe mir die Geburtstätte unseres neuen Familienmitglieds angesehen, so fühlte sich das damals irgenwie an.

Nun ist ein Haus ja eine weitaus größere Investition, für fast alle Bauherren sollte es somit sehr interessant sein, dem Entstehungsprozess so nahe wie möglich zu sein. Jetzt ist es bei Huf Häusern aber nun einmal so, daß ein sehr großer Teil der Magie in den heiligen Hallen der Produktion in Hartenfels stattfindet. Die Produktion eines Hauses dauert dann auch mehrere Tage oder Wochen, im Gegensatz zum Auto gibt es also durchaus die Gelegenheit, sein eigenes Haus in der Produktion zu betrachten. Wenn, ja wenn man denn genau wüßte, wann diese Produktionswochen genau sind. Hartenfels liegt ja nicht gerade um die Ecke, ich kann also nicht auf gut Glück da jede Woche mal durch die Tür schnuppern sondern bin auf einen freundlichen Hinweis aus dem Hause Huf angewiesen.

Irgendwie hatte ich aber noch nicht das Gefühl, bereits etwas verpasst zu haben. Der Huf Standardprozess ist, daß erst nach Vorliegen der Finanzierungsbestätigung die Bestellung der Materialien für das Haus erfolgen kann. Diese Finanzierungsbestätigung gab es aber erst vor wenigen Wochen. Dann muß das Material ja auch erst einmal im Lager ankommen und dann muß es auch noch einen freien Slot in der Produktion geben. Ich erinnere mich noch sehr gut an die Szene aus Grand Designs, wo das Ehepaar doch recht überrascht war, daß es aufgrund einer kleinen Verzögerung bei der Vertragsunterzeichnung mit einer vierwöchigen Baupause konfrontiert wurde. Und das nur, weil der geplante Produktionstermin nun durch ein anderes Haus besetzt wurde. Sie sind ein Opfer der "German Efficiency" geworden, so drückte das der Moderator damals aus.

Jetzt ist mein Bauvorhaben aufgrund des ganzen Hick Hacks um die fehlende Finanzierungsbestätigung ja mit Sicherheit keinem Standardprozess gefolgt. Vor der eigentlichen Bestätigung gab es unendlich viele Gespräche zwischen der Frau Huf Koordinatorin und dem Herrn Finanzservice, und vielleicht hat eines dieser Gespräche bei Huf bereist zu so viel Zuversicht geführt, daß das Material schonmal disponiert und ein Produktionstermin geplant wurde. Oder vielleicht geht das ja wirklich alles so schnell, zu schnell jedenfalls, als daß ich eine Reise nach Hartenfels hätte einschieben können.

Was war passiert?

Nichtsahnend lese ich vor wenigen Tagen den kurzweiligen Bericht vom Bastian, der die Gelegenheit beim Schopfe gepackt hatte und in Hartenfels sein Haus besuchte. Nicht wirklich ernst gemeint war meine Rückfrage an ihn, ob er eventuell auch mein Haus gesehen hat. Nun hatte er ja in der Halle verständlicherweise nur Augen für sein eigenes Bauvorhaben, aber trotzdem konnte er sich an die Phonetik eines komisch klingenden Nachnamens erinnern, den er auf einem anderen Hausfragment gelesen hatte. Und Volltreffer, genau dieser komische Nachname war meiner. Ich kann meinen Nachnamen in fast allen Schreibweisen erkennen, reagiere auf jeden Namen, der auch nur im Ansatz so ähnlich klingt. Und so einen großen Zufall, daß es ein zweites Huf Bauvorhaben mit einem so abwegigen Nachnamen gibt, den kann es ja nicht wirklich geben.

Getreu dem Motto, bloß nichts verpassen, war ich sofort zu allergrößter Spontanität bereit. Sofort wurde mein Kontakt bei Huf Haus aktiviert und nach einem Besichtigungstermin gefragt. Ich hatte in der Vergangenheit schon so einige Male die Gelegenheit, meine Spontanität zu beweisen und in schnell geplante Kurzreisen umzusetzen. Ein paar dieser Trips wurden bereits im Post mit den Kurzreisen beschrieben, aber die mit Abstand am kurzfristigsten geplante Reise fehlte dort noch.

Diese führte vor ein paar Jahren von London nach Paris. Es war Silvestervormittag und ich hatte erst wenige Tage vor dem Jahreswechsel erfahren, daß ich diesen Abend nicht mit meiner holden Gattin verbringen werde, sondern wohl alleine in England mit mir selbst anstoßen darf. Zufällig kam es zu einem email Kontakt mit einem ehemaligen Kollegen, der jetzt in Paris wohnt und der Karten für die Silvesterparty auf einem Diskoboot auf der Seine hatte. Dieses Boot war natürlich seit Wochen ausverkauft, ist ja auch keine schlechte Art, Silvester zu verbringen. Und trotzdem überzeugte er mich, daß es eine gute Idee wäre, noch schnell nach Paris zu kommen und es irgendwie auf das Boot zu schaffen. Noch während wir telefonierten, war der Eurostar gebucht und ich musste auch schon los. Wir sind dann wirklich mit viel Betteln und Flehen und dem Hinweis, daß ich gerade erst aus London angereist bin, alle auf das Boot gekommen. Punkt Mitternacht schipperten wir am Eiffelturm vorbei und konnten zusehen, wie er zur Begrüßung des neuen Jahres zu flackern anfing. Ein Feuerwerk gab es zwar nicht, aber man kann nicht alles haben. Das war trotzdem ein gelungener Abend und der Kater am nächsten Tag wurde erst dann richtig schlimm, als mich mein Kollegen mit Meeresfrüchten beindrucken wollte.

Also wie bereits erwähnt, spontan bin ich eigentlich, doch die Antwort aus Hartenfels war dann doch etwas unerwartet. "Können Sie morgen hier sein?" lautete die Frage? Schluck. Hätte mich diese Einladung in der Oberlausitz erreicht, ich hätte vielleicht trotzdem ja gesagt und schonmal den Wagen vorgefahren. Doch dieses Mal mußte ich passen. Denn wir Drei befanden uns leider nicht in unserer neuen Heimat im Dreiländereck, sondern haben in England zwei Möbelpackern beim Verladen unseres Hausstandes zugesehen. Das Rückflugticket war erst für den übernächsten Tag gebucht. So spontan einen Flug buchen und noch in der gleichen Minute zum Flughafen fahren, dabei ignorieren, daß wir am folgenden Tag eigentlich die Reinigungsfirma ins Haus lassen müssen zwecks Endreinigung, das ging wirklich nicht.

Und so ging sie dahin, eine weitere Gelegenheit, einen wichtigen Teil im Entstehungsprozess unseres Hauses mitzuerleben. Wir haben zwar jetzt das Angebot, auch ohne unser Haus in den Hallen eine Produktionsbesichtigung zu unternehmen. Das werden wir vielleicht in der Zukunft auch wirklich mal machen, wenn wir mal in der Gegend sein sollten. Das wird aber maximal einen touristischen Eindruck machen, denn es werden ja dann nur Häuser von irgendwelchen anderen Bauherren zu sehen sein. Nun habe ich im Audi Werk damals zwar auch nur die Autos von anderen Leuten gesehen, aber am Ende des Tages fuhr eben doch zum ersten Male unser neuer Wagen in die Übergabehalle, erst das machten den Besuch zu einem tollen Erlebnis. Sollten wir in Zukunft also wirklich mal die Produktion besuchen, dann steht unser Haus ja vielleicht schon am geplanten Platz. Ist also nicht ganz dasselbe.

Immerhin waren die Kollegen in Hartenfels so nett und haben Fotos aus der Produktion geschickt. Somit können wir unser neues Haus wenigstens schon sehen, nur eben nicht anfassen. Ich gebe zu, es ist etwas schwer, sich anhand der Bilder das spätere finale Produkt in seiner ganzen Größe und Pracht so richtig vorzustellen. Man kann noch nicht einmal erahnen, wie das alles mal als großes Ganzes aussehen wird. Das letzte Mal, als ich auf so einer Art mittels von Fotos meine Vorfreude befrieden mußte, war beim Betrachten der Ultraschallbilder meiner Tochter. Auch auf denen konnte man ja eigentlich nicht viel erkennen, und doch waren diese Bilder ein klarer Beweis dafür, daß sich hier etwas Reales in der Produktion befindet. Spätestens nach Betrachten der Bilder gab es keine Fragen nach dem "Ob" mehr, sondern nur noch ein "Wann". Und das ist jetzt wieder das Gleiche in der Frage mit dem Eintreffen des neuen Hauses. Irgendwo fast 600km entfernt wartet es in grünen Planen verpackt auf die große Schneeschmelze.

Und so lasse ich jetzt Bilder sprechen. Dieser Text ist schon wieder viel zu lang geworden.

Wände

Noch mehr Wände... oder sind das etwa gar die gleichen?

Der Giebel.. ich schätze mal Südseite - sicher bin ich mir aber nicht

Giebelspitze... aber ob vorne oder hinten - keine Ahnung

Glas mit Holzrahmen, wo der aber hingehört?

Was ist das wohl?

Ne Wand, nehme ich an

Irgendeine Wand

Dachelemente -hier noch ohne 45 Grad Neigung

So wird das Paket dann auf der Baustelle erscheinen


Mittwoch, 6. März 2013

Go West

In diesen Tagen wird so nach und nach einiges zur Realität; Normalität und Gewohnheit, von dem ich vor wenigen Monaten eine nur recht vage Vorstellung hatte. Inzwischen weiß ich wieder ein wenig, wie sich das Leben in der alten Heimat so anfühlt. Die ersten Anzeichen der Eingewöhnung stellen sich ein, es gibt schon kleine noch sehr verhaltene Signale einer wieder erwachenden Heimatverbundenheit mit diesem für uns alle neuen Lebensmittelpunkt. Und hier meine ich insbesondere meine Familie, ich komme ja von hier, wenn ich auch noch nie im Zittauer Gebirge direkt gelebt habe.

Inzwischen stellt sich langsam so etwas wie ein gewisser Alltag ein. Der Tag beginnt mit einem Blick aus dem Fenster auf den neuen Schnee der letzten Nacht. Die ersten Minuten des Tages entsprechen ziemlich genau der Routine aus England, ich versuche die Familie aus dem Bett zu kriegen und versorge das Kind mit Frühstück. Die Frau ist zuständig für die Befüllung der Brotbüchse und die Frisur der Kleinen, sogar der Streß bei der täglichen Auswahl der Kinderkleidung ist ausgeblieben. In England hatten wir uns so schön an die Schuluniform gewöhnt, da gab es schon etwas Bedenken, daß wir uns im uniformfreien Deutschland etwas schwer tun würden. Doch das Wetter macht es uns zum Glück leicht, jeden Tag geht es in den gleichen Schneeanzug und das Kind ist bestens gerüstet für den Tag.

Direkt nach dem Frühstück folgt die erste entscheidende Verbesserung unseres Lebenswandels im Vergleich zu unserem englischen Trott. Denn in England sind wir nicht ein einziges Mal zu Fuß in die Schule gelaufen, dafür war die Strecke einfach zu weit. Jeden Tag wurden wir somit Teil des School Runs, ein Rennen, bei dem sich Mütter in ihren Familien SUV sternförmig auf die Schule zu bewegen, in der Hoffnung, dort einen Hauch eines Parkplatzes zu erhaschen. Parkplätze, die nicht sofort einen wütenden Anlieger auf den Plan rufen, der sich seiner Rechte auf freie Grundstückseinfahrt beraubt sieht, sind sehr rar rund um die Schulen zwischen 8:30 und 9 Uhr. Die einzigen Gegenmaßnahmen der Schulen sind der sogenannte Morning Circle, man fährt einmal um die Schule rum und darf sein Kind an der vereinbarten Stelle aus dem Auto schmeißen. Die Schule empfiehlt, die Nutzung dieses Circles vorher anzumelden, damit der wartende Lehrer am Bürgersteig das Kind auch erwartet und mit einem Schubs in Richtung Hauseingang schiebt. Die andere Maßnahme sind Stempelkarten, sollte es wirklich mal jemand zu Fuß in die Schule geschafft haben, dann gibt es hier Punkte für jede Laufminute. Sehr beschäftigt sahen die beiden Stempelmädchen morgens aber eigentlich nie aus.

Hier in der Oberlausitz hätten wir unsere Stempelkarte schon längst voll. Gefühlt sind wir bisher jeden Tag in den Kindergarten gelaufen. Die Strecke ist zwar um einiges kürzer als in England, aber mit immerhin 20 Minuten auch nicht zu verachten. Und wir müssen diese Strecke ja auch gleich wieder zurück. Am Nachmittag gewinnt dann aber doch meistens das Auto, die Zeit für einen zweiten Spaziergang gibt es leider nicht, wir sind hier ja schliesslich nicht im Urlaub.

Der weitere Tagesablauf  ist dem Homeoffice gewidmet. Wir nennen diesen Platz im Wohnzimmer jetzt einfach mal so, auch wenn der Schreibtisch eigentlich einmal eine Nähmaschine war und außer einem Laptop da nichts draufpasst. Nicht mal ein Telefon, dafür musste ein Bücherregal zweckentfremdet und im Raum verschoben werden. Aber man macht das Beste daraus, bequem ist was anderes. So richtig vermissen tue ich in diesem Homeoffice aber eigentlich trotzdem nichts. Sogar das Internet ist entgegen aller Befürchtungen schnell genug. Und das trotz Dauerstreaming meiner Frau, die seit der Entdeckung des Apps FilmOn das britische Fernsehen doch noch nach Waltersdorf geholt hat -- Danke an Bettina für diesen tollen Tipp. (Bettina ist übrigens auch ein Blogger - oder sagt man Bloggerin? - Wer gerne interessante Texte zum Thema Oberlausitz liest - oder auch zu anderen Lifestyle Themen - bitte hier mal klicken)

Grand Designs habe ich mit diesem App aber immer noch nicht gesehen, dafür haben meine Liebsten nun endlich ihre englischen Talk- und Kindershows wieder, was sehr zur Akzeptanz des neuen Wohnorts beigetragen hat und mit Sicherheit bei der eigentlich geplanten Erlernung der deutschen Sprache ungeheuer hilfreich ist

Aber ich wollte eigentlich noch etwas mehr zum Thema Home Office schreiben. Bisher war ich da kein so großer Fan, was weniger mit den paradiesischen Zuständen im Büro in England zu tun hatte, als mit dem Fakt, daß ich in dem alten Haus eigentlich keine richtige Stelle zum ruhigen Arbeiten hatte. Ein Umstand, den auch unsere temporäre Unterkunft mit dem alten Haus gemeinsam hat, denn meine Schreibtischnähmaschine steht ja mitten im Wohn-Essbereich der Ferienwohnung. Dieser Umstand wird sich im neuen Haus dann schlagartig verbessern, dann habe ich mein eigenes Reich, habe Platz, einen richtigen Schreibtisch und bestimmt auch den einen oder anderen Schrank, der die geduldigen Papierstapel aufnehmen wird, die sich derzeit über den Fußboden des halben Wohnzimmers verbreiten. Nur noch ein wenig Geduld, dann wird alles gut und die Lösung mit dem Homeoffice ein voller Erfolg.

Genau in diesem Moment tritt nun eine gewisse Frau Mayer, Chefin einer weltweit bekannten Internetfirma, der auch ich mein kostenloses email Konto verdanke, eine Diskussion über die Zukunft des Home Office los. In einer internen email beordert sie alle Heimarbeiter bis spätestens Sommer an die Arbeitsplätze zurück, und sofort sind die Zeitungen voll von Pro- und Kontrastimmen zu dieser Aktion. Und dabei hatte meine Home Office Karriere doch gerade erst begonnen.

Nun bin ich durch meinen kürzliche vollzogenen Sinneswandel Pro Homeoffice ja mit Sicherheit etwas befangen und den Argumenten der Contra-Mayer Fraktion viel eher zugänglich. Aber trotzdem will ich mal die Argumente der Pro-Mayer Schreiberlinge aufgreifen und mit meiner eigenen, wenn auch noch recht kurzen Erfahrung hier vergleichen. Viele Argumente gibt es dort ja eigentlich nicht.
  • Die Arbeit zu Hause gehe zu Lasten der Schnelligkeit und Qualität
  • Bei der Arbeit im Homeoffice entschwindet das Zusammengehörigkeitsgefühl der Mitarbeiter
  • Ein Homeoffice macht träge, weil die Kontrolle des Chefs fehlt und weil es das Team nicht mehr gibt, welches Vorbilder liefert und die Mitarbeiter dadurch zu höheren Leistungen anstachelt
  • Zu Hause herrscht nur Ablenkung, das schmutzige Geschirr oder der Rasenmäher verfügen über eine stärkere Anziehungskraft als ein Stapel voller Akten oder eine überquellende Inbox. 
  • Im Homeoffice fehlt der Austausch mit Kollegen als Quelle der Kreativität
Man merkt der Liste an, wie sehr die Autorin hier versucht, durch banale Binsenweisheiten mit Macht die ihr zustehenden drei Spalten zu füllen. Daß ein Homeoffice träge macht, wird mit einem Experiment versucht zu beweisen, in dem die Versuchspersonen zuerst alleine und dann in Paaren Briefe verpacken. In keinem meiner bisherigen Jobs hatte ich bisher je im Accord Briefe zu verpacken oder auch nur im entferntesten eine Art der Beschäftigung, die sich in ihrer Menge leicht messen ließ. Nur ein einziges Mal, ich war allerdings noch ein Student, konnte man meine Arbeitsleistung am Abend recht leicht erfassen, einfach am Wert der ins System eingegebenen Vertriebsaufträge. Das war allerdings eine wiederkehrende und stupide Arbeit, die man in der Firma gerne an Studenten delegierte, damit die übrige Belegschaft mehr Zeit zum Schwatzen und Kaffeetrinken hatte. Nach einer Weile erkennt aber selbst der Dümmste ein gewisses Muster in diesen Bestellungen und ändert die Art und Weise, wie man die ins SAP hämmert. Es wird nicht mehr Zeile für Zeile eingegeben, sondern der Inhalt der Bestellzeilen, der immer gleich ist, einfach immer kopiert und dann manuell nur der Teil abgeändert, der die einzelnen Positionen unterscheidet. Meistens war das nur eine einzige Zahl. Den Job war ich allerdings recht schnell los, vielleicht war meine neue Eingabemethode nicht gut für den Durchschnittsumsatz pro Vertriebsinnendienstmitarbeiter.

Auch die anderen Argument ziehen nicht so richtig. Ob meine Arbeit hier langsamer wurde oder schlechter, diese Einschätzung überlasse ich meinem Chef, übrigens auch ein Homeoffice Fanatiker. Kontrolle durch ihn hatte ich in England schon wenig, er sitzt ja in Düsseldorf, aber auch dort ist er durch diverse Reisetätigkeiten und seinem Gebrauch des Homeoffice nur sehr selten anzutreffen. Wenn überhaupt irgendetwas messbar ist hinsichtlich der Schnelligkeit meiner Arbeit, dann vielleicht die Größe meine Inbox am Abend. Wirklich nie habe ich es im Büro geschafft, auch nur annähernd die Masse der emails zu kategorisieren oder zu sortieren, geschweige denn zu lesen. Meistens kam mir die Nachricht, daß ich schon wieder die Größe meines Postfachs ausgereizt hatte, dann doch zuvor und die Mails wurden erzwungenermaßen massenweise archiviert. Wer auf eine Antwort einer archivierten email wartet und nicht drängelt, selber schuld. Den Kampf gegen die Email Flut hatte ich im Büro längst verloren.

Ganz anders hier im Home Office. Meistens liegen am Abend wirklich nur die emails in der Inbox, die ich wirklich noch brauche und für deren Antwort ich mir noch ein paar Stunden Zeit lassen möchte. Woran liegt das aber?

Ganz sicher liegt es nicht an den vielen Meetings, an denen ich neuerdings nicht mehr teilnehme. Denn diese waren und sind aufgrund der unzähligen Standorte unserer Abteilung fast immer nur Telekonferenzen. Neuerdings benutzen wir dafür sogar eine Webcam via Skype. Durch die Einführung der Webcam erledigt sich auch ein weiteres Vorurteil der Pro-Mayer Fraktion, nachdem wir einmal einen Kollegen im Unterhemd im Garten erwischt haben, werde ich gewaltig aufpassen, daß mir das nicht auch passiert. Soviel zum Thema im Homeoffice lungern alle im Pyjama auf der Terrasse rum.

Ein Grund für meine neue Produktivität liegt ganz sicher in der Reduktion der Zeit, die die Autorin als Quelle der Kreativität beschreibt. Die versehentlichen Treffen an der Kaffeemaschine, in der wir sofort in ein tiefgründiges Brainstorming verfallen und die verschiedenen Entwicklungsmöglichkeiten des englischen Wetters erörtern, wie werde ich sie vermissen. Meistens erfahre ich dort auch, welche Urlaube gerade so geplant werden oder daß man bei Elektrogeräten von Einbauküchen, die von Besuchern des Hauses gesehen werden können, auf wohlklingende Markennamen achten muss. Alles interessante Themen, keine Frage, aber kreativer wurde ich dadurch nicht. Und wenn man doch mal ein Brainstorming zu einem echtem Arbeitsthema brauchte, dann hat man sich dazu eher doch wieder in einem Meetingraum getroffen, einen mit Telefon und Projektor, weil ja fast immer ein Kollege von einem anderen Büro oder Land oder sogar Kontinent hinzugeschalten werden musste.

Und so prallt sie an mir ab, die Kritik am Homeoffice. Verallgemeinern kann man das ja eh nicht, fast jede Person und jeder Job sind unterschiedlich. Und eine reine Homeofficelösung liegt bei mir ja nicht vor, auch ich werde mich von Zeit zu Zeit auf den Weg in eines der vielen Büros machen. Das letzte Mal vor wenigen Wochen, als ich das erste Mal von hier die Reise in den Raum Düsseldorf antreten durfte. Eine Reise, die mir in Zukunft noch so einige Male bevorstehen wird, wie bereits im Beitrag "Autobahnen" angekündigt. Und wie im damaligen Beitrag bereits im Schlußsatz angedeutet, diese Reisen werden wohl nicht viel mit Autobahnen zu tun bekommen.

Der Stress der mehrstündigen Autofahrt wurde mit einer gemütlichen Fahrt im Nachtzug ersetzt. Der Preis für die Fahrt entspricht ungefähr den Benzinkosten, man spart aber eine Nacht im Hotel und kommt trotzdem ausgeruht im Büro an. Die Bahn als Bindemittel zwischen Homeoffice und Büroalltag. Es geht also. So schwarz und weiß, wie die Sonntagszeitungsschreiber das Thema derzeit diskutieren, so ist es gar nicht. Das Homeoffice war für mich der Schlüssel zur neuen und alten Heimat und dem damit verbundenen Hausbau. Aber für 100% Homeoffice bin auch ich nicht gemacht, auch ich brauche die zufälligen Treffen an der Kaffeemaschine, bei denen ich andere mit meinem Gerede über geplante Motorradtouren so herrlich von der Arbeit abhalten kann. Manche Gespräche sind eben doch besser, wenn man dafür kein Telefon benötigt.