Direkt vor unserer Unterkunft befindet sich ein kleines Café, bei schönem Wetter sitzen dort die ermatteten Ausflügler und sorgen dafür, dass dieses Unternehmen trotz gähnender Leere zwischen Montag und Freitag doch ganz gut läuft. Man kommt recht leicht ins Gespräch mit den Leuten dort, wenn man wissen will, worüber man so redet im Ort, sollte man sich dort einfach mal unterzumischen. Besonders das letzte Wochenende war natürlich besonders interessant für diese Art der Meinungsforschung, denn endlich gab es mal etwas Neues zum bequatschen, nämlich das ungewohnte Haus da direkt neben dem Café.
Nun ist es ja nicht so, daß die Akzeptanz der Nachbarn und Besucher mein wichtigstes Kriterium bei der Auswahl des Haustyps war. Aber nach dieser wirklich anstrengenden Woche, auch wenn ich gar nicht persönlich mitgearbeitet habe, brauchte ich einfach mal etwas Selbstbestätigung. Nicht, daß ich nach nur einer Woche schon Zweifel an unserem neuen Haus hätte, aber nach dem ganzen Stress und dem Ärger mit dem Nachbarn würde mir ein wenig Zustimmung von unbeteiligten Personen einfach mal etwas gut tun.
Ich rechne ja nicht wirklich mit einer komplett ungeteilten Zustinmmung. So ein Huf Haus polarisiert nun einmal, es gibt wohl nur wenige, die dazu gar keine Meinung haben. Passt so ein Huf Haus hier wirklich hin oder nicht, wird es sich jemals einfügen in die Landschaft oder für immer stören wie ein eingerissener Fussnagel? Was spricht man so über das doch recht außergewöhnliche Design mit dem vielen Glas und der dadurch sehr modernen Erscheinung?
Mischen wir uns also mal unter die Leute und finden es heraus.
Nach nur wenigen Minuten gab es auch schon eine erste Tendenz. Entgegen der Vermutung nimmt die Akzeptanz eines solchen Hauses mit dem fortschreitenden Lebensalter des Betrachters nicht ab. Zustimmung aber auch Ablehnung verteilt sich auf alle Altersgruppen. Das Spektrum ist dabei recht weit und reicht von "Endlich wird hier mal was Modernes gebaut" bis zu "Wieviel mußte der Mensch dem Bauamt denn zahlen, damit er für sowas die Genehmigung bekommt?".
Diese Frage hätte ich sofort beantworten können, ich wollte mich aber nicht unbedingt als Bauherr outen und es hätte dem Meinungsträger bestimmt auch nur weiter frustriert, wenn er erfahren hätte, daß die Zahlungen an das Bauamt nicht über die vereinarten Gebührensätze hinausgingen. Auch die Frage: "Wer baut denn so ein Haus hier in diese Gegend" ließ ich lieber unkommentiert, ich hatte den Eindruck, daß der Schwerpunkt der Frage nicht auf dem "Wer" sonder auf dem "So ein Haus" lag. Denn schon nach ein paar Minuten meines Undercoverstudiums der Volksmeinung wurde offensichtlich, daß die Mehrheit sehr wohl zugeben mußte, daß das Haus sehr gut gefällt, es aber nicht in das Ortsbild passt.
Ich will jetzt hier mal ignorieren, daß es vereinzelt sogar die Meinung gab, das neue Haus würde das Ortsbild zerstören. Mit Sicherheit hätte dieselbe Person vor 100 Jahren dasselbe über den ersten Wolkenkratzer in New York gesagt, und ein gewisser Prinz Charles behauptet das sogar heute noch über die Bankentürme in der Londoner City. Es wird sie immer geben, diejenigen, die am liebsten die Zeit anhalten wollen und jeden Ort über kurz oder lang in ein Museumsdorf verwandeln würden.
Zwischen dem kompletten Stillstand in einem Museumsdorf und der Zerstörung eines Ortsbild durch einen absolut unpassenden Bau müssen doch noch ein paar Zwischenstufen liegen. Angestrebt wird also so etwas wie eine behutsame Weiterentwicklung des Ortsbildes ohne Beeinträchtigung des ortsüblichen Charakters. Auch wenn die extreme Auslegung der Gestaltungssatzung das Ziel eines Museumsdorfes hat, so lag die finale Entscheidung eben doch beim Bauamt. Und dieses wollte Weiterentwicklungen und Neuinterpretationen in einem gewissen Rahmen eben durchaus zuzulassen. Daran werden sich die Mitbürger jetzt wohl gewöhnen müssen.
Aber wie fügt es sich denn nun ein in das Ortsbild? Ist was dran an der Meinung oder ist das nur der unsichere Umgang mit dem Neuen und Unbekannten? Um hier objektiv sein zu können, helfen vielleicht ein paar Vorher-Nachher Bilder.
Hier das erste Bild, aufgenommen im November letzte Jahres von der Webcam an der Hubertusbaude. Ich bitte das schlechte Wetter zu entschuldigen, aber ich habe bewußt nach einem Bild gesucht, in dem das Wetter ungefähr vergleichbar mit dem heutigen ist.
Hier das Bild von heute:
Sticht das Haus wirklich stark heraus? Das einzige, was man dem Haus auf diesem Bild vorwerfen kann, ist die Farbe. Diese Webcam guckt vom Berg ja ziemlich genau in Richtung Norden in das Tal. Da unser Haus eine exakt Nord-Süd Ausrichtung hat, schaut sich die Kamera also ziemlich genau den Giebel an. Der Giebel ist zu 100% verglast, wirkt also bei einem leeren unbeleuchteten Haus recht schwarz. Ungewohnt ja, aber ansonsten dürfte das aus diesem Blickwinkel der wohl einzige nennenswerte Unterschied zwischen unserem und den umliegenden Häusern sein. Größe und Grundform sowie Dachwinkel passen ja eigentlich.
Versuchen wir jetzt mal ein Bild aus einem anderen Winkel und aus einer kürzeren Entfernung. Vorher sah es dort so aus:
Und heute (zugegeben ist mein Foto aus einer anderen Jahreszeit und nicht so professionell aufgenommen)
Ich bin wirklich gespannt, ob es von dieser Postkarte einmal eine Neuauflage geben wird. Wird es unser Haus dann auf das Foto schaffen oder wird der Fotograph versuchen, den Eindruck eines Museumsdorfes zu bewahren und etwas nach links schwenken? Es wird wohl noch eine Weile dauern, bis wir das wissen.
Noch Zeit für ein weiteres Vorher-Nachher-Bild?
Die drei Vorher - Nachher Vergleiche zeigen mir nur eines. Das neue Haus fällt vor allem deshalb auf, weil an genau der Stelle vorher nichts war. Nun steht hier ein Haus, welches noch nicht einmal ein gedecktes Dach und Außenanlagen im Design eines Tagebaus hat. Klar passt so etwas nicht 100% ins Ortsbild. Aber betrachten wir uns doch noch einmal kurz das letzte Bilderpaar. Ist Euch hier das große weiße Haus rechts im Bild ins Auge gestochen? Stört dieses Haus das Ortsbild?
Ich will dazu jetzt keinen Kommentar abgeben, aber ich weiß durch die Berichte der Nachbarn, daß dies dem Haus vor wenigen Jahren extrem vorgeworfen wurde. Es gab ein Zeter und Mordio, der arme Bauherr war für Monate das Dorfgespräch und das Bauamt mußte sich Kontrollanrufe von ernsthaft besorgten Mitbürgern gefallen lassen. Inzwischen haben sich die Leute wieder beruhigt und haben jetzt ja auch durch unser Huf Haus ein neues Gesprächsthema. Überzeugt bin ich, daß auch unser Haus hier einmal akzeptiert werden wird, was sollen die Leute auch anderes machen. Auffallen wird das Haus wohl immer, es ist nun einmal anders und im Vergleich zu den Häusern der Nachbarschaft noch keine 300 Jahre alt.