Sonntag, 14. April 2013

One small Step for Man


Wie bereits bekannt, durften wir die ersten Wochen in der neuen alten Heimat neben einer ruhenden Baustelle verbringen. Der längste und zeitweise wohl auch kälteste Winter seit Jahrzehnten legte das Land lahm, also zumindest alle Gewerke, die auf eine schneefreie Landschaft angewiesen sind. Doch so konnte das ja nicht ewig weitergehen. Wie vom Wetterdienst versprochen, war pünktlich in der ersten Aprilwoche nach Ostern Schluß mit Winter.

Ich befand mich in dieser Zeit gerade mal wieder an meiner alten Arbeitstätte in der Nähe Londons. Seit bereits drei Tagen hatte ich dort das zweifelhafte Vergnügen, an einem Meeting-Marathon teilzunehmen, welcher durch den besonderen Umstand, daß direkt neben dem Bürofenster ein neuer Parkplatz gebaut wurde, ein gehöriges Ausmaß an Unerträglichkeit angenommen hatte. Die ganze Zeit wurde dort gebaggert und verdichtet und geklopft, manchmal auch alles gleichzeitig. Just in dem Moment kam die SMS mit der Frage meiner Frau, was der Bagger denn da gerade macht.

Nun war ich mir zu dem Zeitpunkt nicht so ganz sicher, aber ich konnte mich nicht daran erinnern, daß ich in unseren abendlichen Ferngesprächen den Bagger auch erwähnt hätte. Woher um alles in der Welt weiß meine Frau dann, daß uns hier im typisch englisch nur sehr gering geräuschgedämmten Büro gerade ein Bagger die letzten Nerven raubt? Das geht doch nicht mit rechten Dingen zu.

Die Auflösung kam aber recht schnell, es war gar nicht der englische Bagger, der meine Frau zu dieser Frage anregte, sondern es hatte sich tatsächlich auch ein Bagger auf unser Bauland verirrt. Da wohne ich nun schon über zwei Monate direkt neben der Baugrube und an dem Tag, an dem es endlich weitergeht, bin ich nicht da. Und dabei hatte mein Herr Tiefbauer doch noch das Wochenende abwarten wollen, an welchem noch mehr schönes Tauwetter versprochen wurde. Lag denn nicht immer noch Schnee in Waltersdorf?

Doch zum Glück durfte ich an genau dem Tag schon wieder nach Hause. Auf der Rückfahrt vom Flughafen Prag in die Oberlausitz wurde ich dann auch gleich geblitzt, ein unglücklicher Umstand, der aber nichts mit irgendeiner übertriebenen Eile zu tun hatte, möglichst schnell auf die Baustelle zu kommen. Bekommt man eigentlich die Blitzerpost aus Tschechien auch in Deutschland zugestellt? Nun, ich werde es ja bald erfahren. So gegen ein Uhr in der Nacht kam ich dann endlich zu Hause an, und klar, mußte ich gleich mal gucken. Der Mond leuchtete das Land gerade genug aus, daß ich den Bagger erkennen konnte, viel mehr aber auch nicht.

Und auch am nächsten Morgen war eigentlich nur zu sehen, daß noch nicht viel zu sehen war. Die wenigen Stunden, die sich der Bagger an unserer Baustelle zu schaffen machte, hatten noch keine wirklich sichtbaren Spuren hinterlassen. Auf den ersten Blick sah es noch genauso aus wie vorher.

Ein Zustand, der sich in der folgenden Woche aber dann doch ändern sollte. Die Baustelle war definitiv wieder zum Leben erweckt, das Verfüllen der Baugrube hatte begonnen. Der Countdown zur Hausaufstellung lief also, nur noch sieben Tage bis zum geplanten Termin.



In dieser einen Woche gab es für meinen Tiefbauer dann auch noch einiges zu tun. Denn vor der eigentlichen Verfüllung musste noch die Drainage ausgetauscht werden. Ich erinnere mich noch gut an den Anruf meines damaligen Bauleiters, der mich vor der gelben Gefahr warnen wollte. Ihm war bei der Begehung der Baustelle im November aufgefallen, daß überall gelbe Drainage-Rohre Reste herumlagen. Nach seiner Meinung aber, und er zitierte hier die DIN Norm 4095, sind Rohre mit dieser Farbe aber nicht für diese Verfülltiefe zugelassen. Wir hatten ja durchaus vor, darauf mehr als nur einen Meter Erde abzulegen. Die Empfehlung war, gelb durch orange zu ersetzen, orange hält den Druck aus und wird bei der Verfüllung nicht zugequetscht, recht hilfreich, wenn da später mal Wasser durch soll. Zum Glück zeigte sich mein Tiefbauer aber recht kulant, der Austausch ging auf sein Konto und auf uns würden nur die Mehrkosten durch den höheren Materialaufwand zukommen. Immerhin auch 1.500 Euro, die eigentlich nicht geplant waren, aber Norm ist Norm.

Weitere Arbeiten, die mit dem eigentlichen Verfüllen noch nichts zu tun hatten, wurden meinem Tiefbauer durch Huf selber zugeschanzt. So mußte zum Beispiel das Streifenfundament, welches einmal die südöstliche Balkonumlaufstütze tragen soll, um einiges nach oben verlagert werden. Daß das Fundament auf dieser falschen Höhe überhaupt erst eingebaut wurde, ist ein weiteres Überbleibsel des Flüchtigkeitsfehlers mit der falschen Auffahrtsteigung. Die technische Umsetzung, wie man so ein Fundament mal eben um einen reichlichen Meter nach oben verlagert, ist dann aber richtig hübsch geworden. Eigentlich schade, daß diese Skulptur einmal unter der Erde verschwinden wird. Die Skulpturen, die das englische Ehepaar Iredale in ihrem Huf Haus Garten hatte, waren auch nicht so viel schöner.


Desweiteren durfte mein Tiefbauer auch noch die Punktfundamente (ist es nicht toll, wie ich mich jetzt mit diesen Fachbegriffen auskenne?) für den Carport errichten. Eine Leistung, die ich eigentlich schon an Huf bezahlt hatte. Hoffentlich weiß mein Tiefbauer am Ende noch genau, welche Rechnung er an welche Adresse schicken muß.


Zum Glück ist der Kollege neben den ganzen Huf Haus Sonderaufträgen auch noch zum eigentlichen Verfüllen gekommen. Zumindest hinter dem Haus reicht der Boden schon fast bis zur Kellerdecke.


Und dieser Einladung konnte ich einfach nicht wiederstehen. Wäre dieser Schritt bisher eher ein waghalsiger und in meinem Fall sicher auch halsbrecherischer Sprung gewesen, so erschien mir die körperliche Anstrengung für die erste Begehung unseres zukünftiges Erdgeschosses jetzt doch einigermaßen akzeptabel. Unter übermenschlichen Anstrengungen erklomm ich einen gut 1,50m hohen Erdhaufen, mühsam die dünne Eisenstange umklammernd, an der noch ein rot-weißer Restfetzen meiner vorschriftsmäßigen und DIN gerechten Baustellenabsperrung flatterte. Die letzten Reste Schnee ausnutzend, um nicht einen Schlammrutsch auszulösen, stand ich schon bald auf der anderen Seite des Walls und hatte nun nur noch die drei Meter Morast bis zum Keller zu überwinden. Schon beim ersten Schritt hatte ich das Gefühl, daß ich hier wohl erst in drei Metern Tiefe mit festem Untergrund rechnen konnte, und um nicht als Moorleiche zu enden, galt es, schnellstmöglich schnell irgendeinen Stein zu finden, der so etwas wie Halt versprach. Meine Schuhe und meine einzige gute Hose bezeugen heute noch diese gewagte Aktion.

Doch irgendwann war auch das geschafft und ich stand zum ersten Mal auf unserem Keller. Fast fünf Monate waren vergangen, seit dieser hier in die Landschaft gesetzt wurde. In diesen fünf Monaten bin ich zwar oft durch die dunklen und nassen Kellerräume geirrt und hatte oft mit dem Gedanken einer Besteigung gespielt, diesen aber in Ermangelung einer Leiter immer wieder verworfen. Heute war es dann endlich soweit. Zum ersten Mal konnte ich durch unser zukünftiges Erdgeschoss laufen, mir dabei vorstellen, wie ich gerade von Raum zu Raum schreite und mir dabei schon mal ein Bild von der zukünftigen Aussicht machen. Und auch wenn hier später der Estrich für 30 weitere Höhenzentimeter sorgen soll, noch nie war ich unserem Erdgeschoss-Wohnempfinden näher, als jetzt und hier. Es war zwar nur ein kurzer Weg über den Erdhaufen und den Schlamm, aber trotzdem kam es mir vor, als hätte ich gerade nach einem Extremmarathon das erste Mal die Ziellinie gesehen. Ich hoffe nur und würde mir wünschen, daß das spätere Überschreiten dieser Ziellinie mindestens den gleichen Grad an Selbstzufriedenheit und Glück erreicht. Eins ist sicher, nie wieder werden wir in den Zimmern des Erdgeschosses so viel Frischluft wie heute haben.

Diese Aussicht werden wir beim Geschirrspülen haben

Ungefähr so wird der Blick aus dem Wohnzimmer

Und das ist die Sicht vom Esszimmer (Erker)



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